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Raúl Maia / Thomas Steyaert: „The Ballet of …“

Auch die Weltkugel tanzt im Ballet © Ulli Koch

Die beiden Körperkünstler, der Portugiese Raúl Maia und der Belgier Thomas Steyaert, zeigen ihr drittes Ballet. Diesmal sind sie Paul Ace und Sunny Lovin, die sich wortlos nur mit dem Körper ausrücken. Es ist keine Sprache, die sie verwenden, mit wiederholten Gesten und leicht erklärbar, sondern ihre eigene Art mit dem Körper zu kommunizieren. Oder auch nicht zu kommunizieren, doch das ist, wie wir wissen, auch eine Art der Kommunikation. Jedenfalls verblüfft auch in diesem dritten „Ballet of…“ die präzise Choreografie und die nur Tänzern (Tänzerinnen) eigene Beherrschung des Körpers, bis in die letzte Faser der großen Zehe.

Paul Ace und Sunny Lovin im Eck  (Raúl Maia, Thomas Seyaert)  Alle Bilder © Ulli KochSeit 2011 arbeiten Maia und Steyaert, die sich als Tänzer bei Vim Vandekeybus / Ultima Vez kennen gelernt haben, an den Balletten verschiedener erdachter Figuren, die jedoch keinerlei Bedeutung haben, nur als Dekoration des Titels dienen. In der ersten Folge der bisher drei "Ballets"„tanzen“ – natürlich wird keineswegs Ballett getanzt, eigentlich gar nicht getanzt – Sam Hogue und Augustus Benjamin. Für Folge 2 hatten sich Maia und Steyaert mit Varinia Canto Vila weibliche Verstärkung geholt: Albertina Macchiavello, Johnny Mclay and Ignatz van Stereo folgten dem Stern, der 2013 den Schlussteil des „Ballets“ beherrschte.
Diesmal, in der dritten Folge dieser feinen und überaus interessanten Arbeit, sind es Paul Ace und Sunny Lovin, die den Titel interessant machen und zugleich einen Hinweis auf die immer wieder aufblinkende Ironie geben, die das „Ballet“ ebenso kennzeichnet wie die kurzen, durch Blackouts und Stroboskopeffekte zerhackten, Szenen.

Obwohl es klar ist, dass hier eine völlig inhaltslose, also nicht eine mit Überlegungen, Botschaften, Hinterfragungen und sonstigem Schwulst befrachtete Aufführung zu sehen ist, entstehen doch immer wieder miniaturisierte Geschichten. Zwei Menschen kommunizieren, wie auch immer, also haben sie miteinander zu tun, auch wenn sie nichts miteinander zu tun haben (wollen). the Ballet of Paul Ace and Sunny Lovin: Es schenit bunt (Raúl Maia, Thomas Steyaert).

Wie üblich kommen Maia und Steyaert im Alltagsgewand, nur wenige Minuten nachdem sie im Foyer mit den Gästen entspannt geplaudert haben, auf die Bühne, beginnen gleich zu arbeiten, indem sie sich ihre Wohnung einrichten, oder ihren Garten bepflanzen. Ja, für mich ist die Anhäufung von bunten Matten und Latten, von durch farbige Papierschnipsel angereicherten Sägespänen, allerlei Miniaturobjekten und einer möglicherweise gemütlichen Ecke aus Brettern, ein Garten. In der Ecke legen die Tänzer ihr Alltagsgewand ab und zeigen sich im teufelsroten Body mit nackten Beinen und Armen.

Raúl / Paul und Thomas / Sunny bauen den Metallgarten auf. Paul Ace und Sunny Lovin sind offenbar Arbeiter,. Es wird gebaut und zerstört, gewühlt und gestreut, aufgestellt und umgeworfen, gehämmert und zerschlagen, und so passiert es nicht nur mit den kleinen Objekten in der Installation, sondern auch mit dem Körper. Anfangs sehen sich die beiden Performer nicht einmal an, arbeiten für sich und bald doch synchron. Die Arme werden gereckt, die Zehen gebogen; es wird gestrampelt und gesessen, getrommelt und – nein – nicht gepfiffen aber geklopft (auf den Busch?). Auch mit der Weltkugel – oder ist es doch nur ein in Folie eingewickelter Ball? – wird jongliert. Denke sich dabei, was jede(r) mag. Ich deke mir, Raúl / Paul und Thomas / Sunny können die Welt aus den Angeln heben. Kurze Zeit wird es auch unheimlich. Die beiden Tänzer kleben sich fremde Augen in die Höhlen. Bald aber habe ich mich an die starrenkleinen Masken gewöhnt und die Bewegungen zeigen: Sie sehen doch!.

Am Ende haben sich die beiden Körper einander angenähert, ruhen für kurze Zeit eng umschlungen wie ein Ei mit Beinen auf dem Boden und lassen gleich darauf einen Miniaturroboter ein paar Schrittchen machen und einen winzigen bunten Schmetterling flattern. Dieser gibt nicht auf, flattert auch noch unermüdlich nach dem Applaus. Der Miniventilator macht ihm Luft. Wie Weltkugel aus den Angeln heben.

Die Musik (Dschungelräusche mit Zwitschern und Knarren, Baugeräusche mit Schaben, Schleifen und Rattern, beruhigender elektronischer Sound) von Peter Kutin unter Mitarbeit der beiden Tänzer und das Licht von Sabina Wiesenbauer treiben mit dem Publikum das gleiche Spiel wie Paul Acer und Sunny Lovin: Immer wenn man meint, wieder auf festem Grund zu stehen, die Gesten deuten zu können, wird diese Sicherheit entzogen. Die Musik wechselt abrupt, das Licht flackert oder schwindet ganz und die Gesten sind wieder kryptisch, nie gesehen, nicht zu verstehen.
"Bocki stop" heißt das Kinderspiel. Maia und Steyaert kommunzieren mit den Köpfen. Das regt den Geist an, der hin und hergeworfen und im Kreis gedreht wird, das macht das „Ballet“ richtig aufregend, auch spannend und wunderbar durchsichtig durch die feingesponnene Ironie. Die Freude an der Ästhetik, den Bewegungen und der sonderbaren Kommunikation wird durch nichts gemindert. Man muss doch nicht alles verstehen, man darf auch ohne Verstehen (Verstand?) genießen.
Daher möchte ich doch meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass bald wieder ein Ballet von mir unbekannten Figuren zu sehen sein wird.

Raúl Maia / Thomas Steyaert: „The Ballet of Paul Ace and Sunny Lovin“, Uraufführung , gesehen am 18. Jänner 2018 im WUK.
Weitere Vorstellungen im WUK 18. und 20. 1. 2018.