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Mei Hong Lin: „Music For A While“, Tanz in Linz

"Music For A While", getanzt in Linz © Vincenzo Laera

Zur Musik von Henry Purcell und seiner Kollegen gestaltet die Linzer Ballettchefin Mei Hong Lin einen erlebnisreichen Tanzabend. Geleitet von Christina Pluhar, wird ihr Ensemble, L’Arpeggiata, zur Tanzkapelle, Alte Musik zur lebendigen Begleitung – rasant und rhythmisch, getragen und melodienreich, auf Orignalinstrumenten gespielt, Das bestens trainierte Linzer Tanzensemble gerät außer Rand und Band. Das Publikum auch, wobei die Sopranistin Céline Scheen, Sopran, und Vincenzo Capuzzeto, Alt, keineswegs den geringsten Anteil haben, wie auch der  italienische Virtuose Gianluigi Trovesi, der mit seiner Klarinette geschmeichelt, bezaubert und verführt hat.

im akrobatischen Pas de deux. Alle Fotos: Vincenzo LaeraDer Titel Ist Programm: Henry Purcells Komposition (aus der Bühnenmusik zum Drama „Oedipus“ von John Dryden und Nathaniel Lee) ist eine Hymne an die Musik, die alle Sorgen vertreibt, alle Leiden lindert. Choreografin Lin zeigt die feinst gewählte und meisterhaft interpretierte Musik (G. F. Händel und Claudio Monteverdi sind ebenfalls beteiligt) auch als Hymne an den Tanz. Die kleinen Szenen – fröhlich und himmelhochjauchzend, wie in den Liedern aus Purcells „The Mock Marriage“, den nicht ganz ernst zu nehmenden Liebesseufzern im italienischen Volkston, oder zu Tode betrübt, zu den tränenreichen Klagen betrogener und verlassener Frauen – spielen in einem Tanzpalast. Männlein und Weiblein tummeln sich in glitzernden Kostümen unter schimmernden Lusterkaskaden und –kuppeln. Dirk Hofacker hat Bühne und Kostüme gestaltet, Johann Hofbauer ist für das Lichtdesign zuständig. Beide verdienen Sonderapplaus.

So klar, inhaltsreich und narrativ ist die Musik, so deutlich der Tanz, hauptsächlich als Gruppe, aber auch in kleinen Solos und akrobatischen Duos, dass die von Lin erdachten elf Szenentitel gar nicht notwendig sind. Geschickt vermeidet sie, die Liedtexte zu interpretieren, verlässt sich ganz auf die Musik, lässt dieser wie Sängerin und Sänger gerne den Vorrang und schafft bemerkenswerte Bilder in fließenden Übergängen. Schleiertanz einer ewigen Braut als Zwischenspiel (Miyazato)Etwa, wenn zum fröhlichen Ostinato von den Männern der Krieg getanzt wird, während die Frauen sich schaudernd zurückziehen, und gleich drauf die Sopranstimme mit der tieftraurige Motette von der Schmerzensmutter unter dem Kreuz, „Stabat Mater dolorosa“. erklingt. Zum Weinen schön. Davor haben die Männer ein fröhliches Fest gefeiert, ihren Junggesellenabschied mit Lust und Frust, Trinken und Raufen.

Der Reigen, gute 100 Minuten lang, wäre kompakter und schlüssiger, würde er nicht durch nichtssagende Schleiertänze von Andressa Miyazato als ewige Braut immer wieder unterbrochen. Begegnung mit der Braut (Urko Fernandez Marzana)Ich schaue heimlich auf die Uhr,  höre ein ziemlich böses aber beruhigend klingendes italienisches Schlaflied als Duett von Sopranistin und Alt, die rechts und links der Bühne als Teil des Bühnengeschehens im eigenen Lichtkreis agieren. Dass Capuzzeto nicht nur Sänger, sondern auch mehrfach preisgekränter Tänzer ist, ist nicht zu übersehen. Seine Bewegungen sind so geschmeidig wie seine Stimme.
Ich bin beruhigt: Der Abend neigt sich der Nacht zu. Noch eine Klage über die Schlaflosigkeit, während allmählich die Lichter im Ballroom ausgedreht werden. Wie im Traum schwanken Tänzerinnen und Tänzer zögernd in die Dunkelheit. Die Musik tröstet im Verklingen. Der Tod hat keinen Stachel mehr.
Ein beeindruckender, emotional dichter Abend ist zu Ende. Gute Nacht!

Mei Hong Lin / Christina Pluhar: „Music For A While“, Tanzstück zur Livemusik von L’Arpeggiata, musikalische Leitung und Theorbe Christina Pluhar; Klarinette Gianluigi Trovesi; Sopran Céline Scheen; Alt Vincenzo Capuzzeto. Bühne und Kostüm: Dirk Hofacker; Lichtdesign Johann Hofbauer; Dramaturgie Katharina John.
Uraufführung 14. Oktober 2017, Landestheater Linz / Musiktheater am Volksgarten.
Sieben weitere Aufführungstermine ab 27. Oktober 2017.