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Wiener Staatsballett: Junge Choreografen ’17

Nina Tonoli, Greig Matthews in "Desire" von Jakob Feyferlik © Ashley Taylor

Seit 2003 organisiert der private Ballettclub der Wiener Staatsoper und Volksoper auf Initiative der Präsidentin, Ingeborg Tichy-Luger, ein Labor, in dem sich Tänzer und Tänzerinnen des Wiener Staatsballetts als Choreograf_innen erproben können. An zwei Abenden werden dem Publikum die Ergebnisse vorgestellt. Die Veranstaltung „Junge Choroegrafen ’17“, bei der 12 Tänzer_innen, manche bereits erfahren, die meisten aber blutige Neulinge, ihre Kreationen gezeigt haben, hat 2017 Anfang Mai im Theater Akzent stattgefunden. Das Publikum, darunter Sponsoren und hohe Diplomaten, zeigte sich nach nahezu drei Stunden mit Solos, Pas de deux und Gruppenstücken recht begeistert.

So viele junge Talente hatten sich noch nie für die traditionelle Veranstaltung angemeldet. Zwölf junge Choroegrafen (darunter drei Tänzerinnen: Nina Poláková, Tainá Ferreira Luiz und Nikisha Fogo) haben mit Unterstützung ihrer Kolleg_innen gezeigt, wie sie die Bewegung der Körper im Raum organisieren, kleine Geschichten erzählen, oder einfach zur selbst gewählten Musik tanzen lassen. Pas de deux "an die ferne Geliebte" Choreograf Andrés Garcia Torres tanzt mit seiner Schwester Irene. Alle Bilder © Ashley Taylor

Vier der Teilnehmer haben bereits auf dieser Schiene choreografische Erfahrungen gesammelt, teilweise, wie Attila Bakó oder Trevor Hayden, mit früheren Werken auch bereits den Sprung in das Repertoire des Staatsballetts geschafft. Acht jedoch, also zwei Drittel, sind choreografierende Debütant_innen, die mit Lust und Neugierde ihre ersten Versuche als Ballettschöpfer_innen wagen. So sind nicht unbedingt fertige Meisterwerke zu erwarten, die Generationen überdauern werden, sondern tastende Versuche in einem ungewohnten Metier, die sich jeglichen nörgelnden Gestichels entziehen.

Die Mehrheit der jungen Choreograf_innen ist auch netto sehr jung, und so nimmt es nicht Wunder, dass sie sich vor allem mit (ihren) Gefühlen und Träumen beschäftigen. Sie blättern im Lexikon des klassischen und neoklassischen Vokabulars und holen sich heraus, was ihnen gefällt und womit sie sie auch tanzend täglich beschäftigen. Titel wie „Shadows We Cast“, „Skin“, „Thoughts & Feelings“ oder „Desire“, zeigen wo die Schwerpunkte liegen.

Bewegte Seele: Sveva Gargiulo im Solo von Nikisha Fogo.Dennoch verdienen es manche, eigens erwähnt zu werden. Attila Bakó etwa, der schon 2014 mit „The Fall“ Aufmerksamkeit erregt hat, vereint wieder Kunst und Technik. In Zusammenarbeit mit Forscher_innen der TU und Uni Wien (Cooperative Systems, Fakultät für Computerwissenschaft) sind in seiner Choreografie für drei Paare, "Shadows We Cast", nicht nur die bewegten Körper zu beobachten, sondern auch die Herzsignale der Tanzenden, die über Sensoren als Zackenschrift auf der Videowand sichtbar werden. Überraschend regelmässig sind diese Aufzeichnungen im pulsierenden Rhythmus des Tanzes.

Tainá Ferreira Luiz hat es geschafft, Live-Musik (sechs Musiker) für ihre Choreografie auf die Bühne zu bringen, und Martin Winter, nicht mehr unerfahren, punktet durch eine feinsinnige Lichtregie in seinem ansprechenden Pas de deux für zwei Frauen. Schließlich wird auch Nikisha Fogo vor den Vorhang gerufen. Die Solotänzerin hat für Sveva Gargiulo ein kreatives Solo in ihrer eigenen, unkonventionellen Bewegungssprache geschrieben – " Movements of the soul / Bewegungen der Seele", aufregend und intensiv.

Ein persönliches Highlight, obwohl nicht neu und noch weniger zukunftsträchtig, muss ich dennoch erwähnen, weil ich denke, Choreograf und Tänzer_innen (Jakob Feyferlik oder Choreograf Francesco Costa selbst, Natalya Butchko, Nina Tonoli, James Stephens) haben ein Stück genauso realisiert, wie sie es sich erdacht und vorgestellt haben. Gala Jovanovic, Jakob Feyferlik in "Daneben", einem Pas de deux von Nina Poláková.Zu exotischer Musik ist eine Liebesgeschichte mitten im heißen Wüstensand zu sehen. Erotisch, geheimnisvoll und romantisch, ganz dem Grundthema entsprechend: „Anima et Corpo – Leib und Seele“ nennt Costa seinen ersten Choreografieversuch.

Unter welchen Umständen die Kreationen entstanden sind, mitten während anstrengender Proben- und Aufführungsserien, freiwillig, unbezahlt, sollte auch erwähnt werden. Dass wenige Tage vor dem Abend der „jungen Choreografen“ drei bereits international erfolgreiche, ehemalige Jungchoreografen (Andrey Kaydanovskiy, András Lukács und Eno Peçi) mit dem Staatsballett an der Volksoper Uraufführungen zu Kompositionen von Igor Strawinsky gezeigt haben, beweist den Stellenwert der Veranstaltung des Ballettclubs.

Ballettclub der Staatsoper und Volksoper: „Junge Choreografen ’17“, 12 Choreografien von Tänzern und Tänzerinnen des Wiener Staatsballetts, gezeigt am 7. und 8. Mai 2017 im Theater Akzent.