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Festwochen: Dimitris Papaioannou „Primal Matter“

"Primal Matter":Man in black mit Nacktem © Nikos Dragonas

Der menschliche Körper, nackt oder bekleidet, steht im Mittelpunkt von Dimitris Papaioannous Dialog mit Michalis Theophanous: „Primal Matter“. IZum Abschluss der Wiener Festwochen zeigten die beiden Performer das expressive und auch witzige Werk im Museumsquartier. Das Publikum zeigte sich beeindruckt und dankte mit lebhaften Applaus und Pfiffen, als wärs ein Popkonzert gewesen.

Nach zehn Jahren Abwesenheit von der Bühne zeigt sich der vielseitige griechische Künstler (international bekannt geworden durch die Gestaltung der Eröffnungs- und Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Athen 2004) in seiner Choreografie wieder selbst auf der Bühne. Entstanden ist das Stück für einen splitternackten (Theophanous) und einen ordentlich in Schwarz gehüllten Mann (Papaioannou) 2012 für das Festival von Athen. Zwei Körper wandern durch die Kunstgeschichte © Maria Petinaraki

Gut 30 Meter ist die Hauptbühne, ein weißer Steg an der Seitenwand der Halle E. Daneben türmt sich allerlei Hausrat: Ein Wasserschaff, ein funktionierender Wasserschlauch, eine Topfpflanze, aus der Karotten wachsen. Die beiden Körper, der Nackte und der Bekleidete, interagieren auf dem Steg und lassen auch eine helle und eine dunkle Tafel als Versteck und Waffe mitspielen. Die Körper sind nichts als Körper, Theophanous ist weder erotisch noch fleischlich, Papaioannou ist das Pendant im Anzug, kein Individuum, auch wenn die schlanke Erscheinung mit dem schwarzen Schnauzer allerlei Assoziationen zulässt.

"Primal Matter", Körper als Materie  © Nikos DragonasDer Mann im schwarzen Anzug hat anfangs die Macht, er bewegt den Nackten, manipuliert ihn, beobachtet und beschattet ihn. Allmählich dreht sich das Verhältnis um, der Nackte nähert sich dem Bekleideten, noch kämpfen sie, doch nach und nach versuchen sie durch akrobatische Verrenkungen, skurrile Tricks und Spielereien mit „amputierten“ Gliedmaßen eins zu werden. Was sie Vermutlich von Anfang an waren, jeder jedes Gegenstück, Schatten, Doppelgänger

Die Berufung auf die gesamte Kunstgeschichte ist deutlich, schließlich Papaioannou auch Maler. Der Bogen von der klassischen griechischen Kunst zur heutigen Situation in seiner Heimat ist für den Choreografen die politische Dimension der Performance. Mit beißendem Humor und Sarkasmus unterhält er auch das Publikum, stellt Bilder aus dem alten Griechenland und der Rennaissance dar, lässt Theophanous als Gekreuzigten erscheinen, wäscht ihm die Füße und zeigt den Abdruck auf dem Handtuch als Parodie auf das Turiner Grabtuch in dem angeblich die Leiche Jesu eingewickelt war. Choreograf und Performer Dimitris Papaioannou in "Primal Matter"  © Nikos Nikolopoulos

Die beiden Performer, athletisch der Eine, elegant der Andere, sind ausgezeichnete Tänzer, mit erstaunlicher Körperbeherrschung, Präzision der Schritte und der prägnanten Bewegungen. Sie zeigen einen Tanz zweier Körper in stets wechselndem Licht und in aller Stille. Mythisch, komisch, poetisch, bilderreich – außergewöhnlich. Auch wenn mir die 80 Minuten etwas zu lang waren. So grotesk die Verrenkungen und optische Täuschungen sind, die mehrfachen Wiederholungen sind unnötig.

Dimitris Papaioannou: „Primal Matter“, 17. Juni Museumsquartier, im Rahmen der Wiener Festwochen 2016.
Weitere Vorstellungen: 18., 19. Juni.