Tanz*Hotel: Artist At Resort 12. Werkschau
Artist At Ressort“ ist ein Residence und Coaching Projekt, das Bert Gstettner für Tanzschaffende ins Leben gerufen hat. Im 12. Teil des erfolgreichen Prjekts haben vier Künstler_innen in einem wochenlangen Prozess ihre Ideen ausgearbeitet und schließlich ihre Arbeit in der abschließenden Werkschau präsentiert. Ein überaus gelungener, abwechslungsreicher Abend im Tanz*Hotel, nicht nur für die glücklichen Künstler_innen, auch für das begeisterte Publikum.
Keine Arbeit für Genderbeauftragte: Zwei Frauen und zwei Männer, wagen sich auf die Bühne und zeigen mit dem Körper, was in ihren Köpfen so vorgeht. Aus dem Dunkel schält sich eine unheimliche Gestalt, reckt die langen Arme, spreizt die die dünnen Finger, das rabenschwarze lange Haar verdeckt das Gesicht, ein weißer Leinenrock die unter Körperhälfte, biegt und wiegt sich im Rhythmus der dezenten Musikbegleitung, spitz stechen die Ellenbogen in den Raum, unverständlich sind die gurrenden Laute, die sie ausstößt. Eine Zauberin in Schwarzweiß, eckig und geschmeidig zugleich. Einmal nur blickt sie mit riesigen Augen, angstvoll, trostsuchend direkt ins Publikum. Dann wird der weiße Rock über den Kopf gezogen. „Pi“ nennt die Tänzerin und gelernte Designerin Cat (Paz Katrina) Jimenez ihre Performance, in der sie vor allem zeigt wie bewusst und virtuos sie ihren Körper einsetzen kann. Perfekt versteht sie Ästhetik und Bewegung zu vereinen und so ihre beiden Talente (Jimenez ist auch als Hip-Hip-Girl bekannt) zu vereinen. Auch Choreografie ist Design und Mode wird zur Choreografie. Für den begleitenden Sound ist SIMP x STSK (Dusty Crates) verantwortlich.
Mit der Grundidee von Jimenez ein „zeitloses Wesen ohne Bewusstsein“ darzustellen lässt sich eine Brücke zu Sara De Santis bauen, deren Stück „Loss Memory“ sich mit der Erinnerung an Empfindungen, wie etwa Schmerz, befasst. Auch ihre Figur hat etwas vom Bewusstsein verloren. Der Reptilienkamm auf ihrem Rücken ist das nach außen gedrückt Rückgrat, das während des Tanzes einen Wirbel nach dem anderen verliert, das Rückenmark ist durchtrennt und dadurch die Verbindung zum Gehirn gekappt. Keine Erinnerung mehr wie sich der Schmerz anfühlt.
De Santis verlässt sich nicht nur auf ihren Tanz und den Musiker Christian Schratt, der mit dem Hang eindrucksvolle Akzente gibt, sondern auf die Bilder von Emanuel Andel. Das Rückgrat wird auf den Körper der Tänzerin projiziert. Body Mapping heißt das. Noch mehr sieht De Santis wie ein Reptil aus, liegt am Boden krümmt sich, bemerkt keinen Schmerz, versucht sich zu erheben, knickt immer wieder ein, bis es ihr endlich gelingt aufrecht zu stehen. Ein weißer Abdruck ihres Körpers, gehalten vom Rückgrat, erscheint auf der Videowand, zerfällt in tausend Stücke. Eine Tanzdarbietung, die in Erinnerung bleibt.
Schön abwechslungsreich ist das Quartett gestaltet, nach jeder Frau zeigt ein junger Mann, was er erarbeitet hat. „Ambivalent Unity“ nennt Arne Manott seine getanzte Jonglierkunst. Ungezählt weiße Faustbälle fallen vom Himmel, werden zur Pyramide geschichtet, auseinander getrieben, fliegen in die Höhe, um nach einer Drehung wieder aufgefangen zu werden. Mannott zeigt mit Hilfe der Zirkuskunst, wie Systeme (Objekte / Körper) aufeinander angewiesen sind, wie sie zusammenhalten bis sie wieder auseinander brechen. Mit sehr sanften, schönen Bewegungen lässt der Performer immer wieder neue Bilder entsteht, überrascht und unterhält auch.
Um den letzten Artist at Resort zu sehen, wird in den neuen Raum des Tanz*Hotels gewechselt, Patrick Redl braucht Platz für seine Beschäftigung vom Zusammenhang zwischen Bewegung, Klang und Raum. Noch kann Redl den Raum nicht nützen, arbeitet mit dem Körper, bleibt aber wie festgeklebt an einer Stelle. Das Klanginstrument ist die steirische Knöpferlharmonika, eine Quetschn und so nennt er auch sein Stück. Lange lässt die Quetschn nur atmen, röcheln, seufzen, keuchen, je nachdem wie er den Körper dreht und wendet, die Knie beugt oder streckt. Danach erzeugt er einen Ton, den er durch langsame oder schnelle, sanfte oder heftige Körperbewegungen verändert. Alle Partien des Körpers – Hüften und Schultern, Knie und der Kopf – ergeben in Bewegung eine andere Tonstruktur. Wenn Redl sich im rasenden Tempo im Kreis schwingt scheint eine Melodie mitzuschwingen und füllt den schönen leeren Raum.
Redl ist ein Meister der steirischen Ziehharmonika und war gemeinsam mit Simon Mayer in der Ballettschule der Wiener Staatsoper. Mit Mayr spielt er auch (nicht nur sein Instrument sondern auch eine Rolle) im überaus erfolgreichen Stück Mayers „The Suns of Sissy“. Demnächst geht er wieder mit der Produktion auf Tournee ins Ausland.
Ein Abend mit Neuem, Überraschendem, Unterhaltendem und Interessantem.
Tanz*Hotel: Artist At Resort, Term 12, 3.6. Tanz*Hotel, Zirkusgasse 35, 1020 Wien. Auch am 4. und 5. Juni 2016 wird die Werkschau noch präsentiert.