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Transit im Künstlerhaus: Liebesbriefe an A. Hitler

Nazifrauen im Liebestaumel © transit

Entzückend und zugleich beklemmend– eine merkwürdige Kombination von Adjektiven, aber so lässt sich die Performance „Liebesbriefe an Adolf Hitler“ der Gruppe transit im dunklen Ranftlzimmer des Wiener Künstlerhauses am besten beschreiben. Vier Künstlerinnen brachten dem Publikum recht eindringlich authentische Dokumente nahe, die allesamt aus der Feder verliebter Nationalsozialistinnen stammen.

In sehr entspannter Stimmung betritt man das dunkel getäfelte, mit grünem Stoff bespannte Ranftlzimmer, denn man kann sein Getränk mit hinein nehmen. Drinnen herrscht ein bisschen Gasthaus-Atmosphäre mit kreuz und quer aufgestellten Tischen, bedeckt mit Tischtüchern. Man nimmt Platz, egal wo, denn das riesige Poster mit dem Konterfei des Führers ist von jedem Sitz aus gut zu sehen. Es ist sozusagen das Herzstück des Abends.

Dann kommen vier junge Frauen herein, hübsch anzusehen in ihrem Vierziger-Jahr-Styling, eine singt Schlager aus der Zeit und spielt Kontrabass. Drei Damen servieren dem Publikum Guglhupf an die Tische, zerteilen ihn sogar mit riesigen Messern, und verteilen sich selbst dann im Raum, um ihre handgeschriebenen Briefe vorzulesen. „Mein zuckersüßer Adolf“, beginnt so ein Werk, oder „Lieber, guter, süßer Adolf, da geht es wohl toll her an der Front, nicht wahr?“. Oder „Heißersehnter“ oder „Geliebtes Adili“. Oder „Lieber Führer Adolf Hitler! Eine Frau aus dem Sachsenland wünscht sich ein Kind von Ihnen.“ Dann folgen Schilderung vom zumeist schlichten Alltag der Schreiberinnen, und weitere heiße Liebesschwüre: „Ich küsse Dich auf Deine vier Buchstaben und tue Front frei, damit Du fühlst wie lieb ich Dich hab“. Die Unterzeichnerinnen heißen Miele, Ritschi oder A.S. Die liebestollen Frauen leben in ganz Deutschland, sogar ein Brief aus Fulpmes in Tirol ist dabei.

Die Akteurinnen lesen aus siebzehn solcher Briefe, die der amerikanische Soldat W.C. Emker 1946 in der zerstörten Reichskanzlei in Berlin fand. Sie lagen durcheinander am Boden, nicht wichtig genug um zerstört zu werden wie andere Dokumente der fliehenden Nazi-Beamten. Insgesamt fand Emker an die 8000 Liebesbriefe, die an „unseren geliebten Führer“ adressiert waren. Erreicht hatten sie das Objekt der Begierde natürlich nie. 1994 publizierte Helmut Ulshöfer mit Hilfe von Emker eine Auswahl: „Liebesbriefe an Hitler – Briefe in den Tod“.

 „Ein 60minütiges Requiem für eine verlorene Liebesarmee“ nennt transit den Abend, der außerdem durch feinen Gesang und glänzende Leistungen von Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Julia Kronenberg und Lisa Weiss überzeugt. Kurz dabei auch Andreas Pronegg als Schatten Hitlers, und zum Team gehört auch noch Ralph Reisinger. Am Schluss ein wunderbarer Schachzug der Regie, um dieses merkwürdige Spiel zu beenden: Alle, also Akteurinnen und Publikum, singen gemeinsam Zarah Leanders ewigen Hit „Nur nicht aus Liebe weinen“.

Transit: „Liebesbriefe an Adolf Hitler“, Künstlerhaus Wien, Ranftlzimmer. Nächste Termine: 23. und 24. April,2016.
Weitere Termine in Wien sind im Herbst 2016 geplant.