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Tanzquartier – Lange Nacht: "Synesthesia"

"This is concrete", Jephta van Dinther © Renato Mangolin

Das Tanzquartier Wien und das sound:frame präsentierten mit Synaesthesia3 ein geballtes, abwechslungsreiches Programm mit Visuals, Choreografie und Sound, ein komprimiertes Festival mit vier Bühnen in der Halle E als Vorgeschmack auf die 10. Ausgabe des audiovisuellen Festivals. Neben Performances von Künstler_innen wie Noé Soulier, Liquid Loft / Chris Haring und DJ-Sets und Visuals von Joja + フーパ (V ARE) / Ferdinand Glück, Cid Rim / nita sind Ryoji Ikeda, Hiroaki Umeda, Planningtorock, Jefta Van Dinther und Thiago Granato die absoluten Held_innen der Nacht.

Simple schwarze horizontale Linien blitzen auf einer weißen Videoleinwand auf. Davor steht ein stoisch anmutender Mann – Japans berühmtester audiovisueller Künstler, Ryoji Ikeda –  mit Mütze, Sonnenbrille, Laptop und Mischpult. Aus den Boxen dröhnen stechendes Piepsen, rhythmisches Schnalzen, vibrierende Bässe und ein Hauch Pentatonik. Das mathematische Konstrukt von Sound und Visuals ist minutiös getimed und aufeinander abgestimmt. Es wird zunehmend komplexer, das Tempo nimmt zu, Linien werden zu Blöcken und Flimmern. Nicht der Künstler selbst steht im Mittelpunkt sondern die Essenz des Klanges, die Übersetzung von Ton in Bild – eine Perfektion in Schwarz und Weiß.

Ebenso aus Japan, ebenso Schwarz-weiß, ebenso elektronische Musik. Choreograf und audiovisueller Künstler Hiroaki Umeda fügt Sound und Visuals noch die Ebene der Choreografie hinzu. Auf die Videoleinwand im Hintergrund werden kleine weiße Punkte auf schwarzen Hintergrund projiziert. Ein Universum tut sich auf, Sternenhagel prasselt nieder, rotierend, von allen Seiten. Durch die ausgeklügelte Choreografie verschmilzt der Tänzer – mit einer eigenen Projektion am Körper – damit, tritt immer wieder daraus hervor und scheint die Visuals zum Teil sogar durch Bewegungen zu steuern. Gleichermaßen wie Ikeda schafft Umeda eine perfekte, bis ins Kleinste durchdachte, einem scheinbar undurchschaubaren System folgende Komposition, die alle Dimensionen gleichberechtigt behandelt, wodurch eine verblüffende Harmonie entsteht. Joja vy Sascha Scheer

Auftritt der Königin der Nacht: Planningtorock! Bereits mit Mozarts Arie aus „Der Zauberflöte“ gesungen von einer mächtigen, polarisierenden Figur setzt die Musikerin ein starkes Statement. Weniger dramatisch aber dafür inhaltlich umso stärker geht es mit ihrem Live-Konzert weiter. In gewohnter Manier, aber ohne an Wirkung und Kraft zu verlieren plädiert Frontfrau Jam Rostron für Gender Equality (im Song „Human Drama“) und gegen patriarchale Systeme (im Song „Patriarchy (Over & Out)“). Tanzbare 80ies Beats, Disco, Elektro-Pop, Ambient und ihre von Effekten verzerrte, „Gender neutrale“ Stimme begleiten ihren Kreuzzug für freie Liebe fernab von Geschlechterrollen und -normen – wie in „Public Love“ mit Visuals, die lediglich aus der Phrase „Public displays of affection are still illegal in 83 countries between people of the same age“ bestehen, untermauert wird. Dass Jam Ronstron nicht nur Synaesthesia3 bereicherte, sondern das gesamte Performance- und Tanz-Feld bunter macht, zeigt die herausragende Reihe „o.T.“ von Ian Kaler, zu der sie live den Sound beisteuert.

Hiroaki Umeda: Visuals in schwarz-weiß © Tanzquartier  Auch bei Jefta van Dinther und Thiago Granato, die einen Ausschnitt aus ihrer Performance „THIS IS CONCRETE“ zeigen, ist gleichgeschlechtliche Liebe ein zentrales Thema. Zwei Männer, getaucht in blau-graues, düsteres Licht, hinterlegt mit elektronischer Musik, lassen langsame, sanfte Bewegungen zu Sprache, Küssen und schließlich Sex werden. Die intime Choreografie zwischen offensiver Sinnlichkeit und subtiler Aggression reiht sich nicht nur thematisch perfekt in das Konzept der langen Nacht ein, sondern auch musikalisch und ästhetisch.

 „Synesthesia“, Bilder, Bewegung, Sound und Space, in Kooperation mit sound:frame, 12.März 2016, Tanzquartier, Halle E.