Zum Hauptinhalt springen

Osterfestival Tirol – "Zeit–Bild"

"Zeit–Bild" im Salzlager © ISM_Wolfgang Lienbacher

Neun Tänzer_innen des SEAD Bodhi Projects (Salzburg Experimental Academy of Dance) zeigen im Dialog zur Musik, gespielt von acht Musiker_innen des oenm., ihre Bilder von Zeit.  Mit der Produktion „Zeit–Bild“ waren das oenm. (Österreichisches Ensemble für Neue Musik) und der Choreograf Etienne Guilloteau zum ersten Mal beim Osterfestival Tirol im ehemaligen Salzlager von Hall in Tirol.

Sechs Wochen lang hat Guilloteau mit den jungen Tänzerinnen und Tänzern des SEAD Bodhi Projects über die Zeit gearbeitet. Zufrieden kann er jetzt sagen: „Alle Bewegungen kommen von den Tänzer_innen selbst, ich habe nur die Struktur gegeben.“ Die Struktur der Musik (von W. A. Mozart, Morton Feldman, Beat Furrer, György Ligeti, Maurice Ravel und Elliot Carter) hat Alain Franco vorgegeben.
So beginnt die Performance in der langgestreckten Säulenallee des Salzlagers mit einem Violinsolo von Feldman („For Aaron Copland“) zu dem sich zwei Tänzerinnen (das Publikum sitzt an den Längsseiten des Rechtecks, die Musiker_innen an den Breitseiten) wie im Traum bewegen. Allmählich bevölkert sich der Säulengang mit Tänzern und Tänzerinnen, die solistisch, im Duo oder Trio tanzen, mit ausladenden Armbewegungen die Zeit zerschneiden, horizontal, vertikal; auf ihren Flügeln tanzen, sie anhalten, gegen sie ankämpfen. Spannend wird die Performance durch die riesigen, versinterten Säulen, die ungewohnte Perspektiven und Blickpunkte ermöglichen. Das Licht kommt von oben, wechselt in der Intensität und Helligkeit. "Zeit–Bild" mit Solos, Duos, Trios. © ISM_Wolfgang Lienbacher

Die Tänzer_innen bewegen sich meist langsam mit fließenden Bewegungen, lediglich Mozart (Dissonanzen Quartett und ein Menuett) wecken sie aus ihrem Trancezustand, in fröhlichem Galopp hetzten sie gemeinsam durch den Saal. Dann wird die Zeit wieder angehalten, es entstehen Passagen des Stillstands während die Musik weiter erklingt und auch der Bewegungen in  absoluter Stille. Kleine Irritationen, wie das ständige Wechseln der bunten T-Shirts oder des glitzernden Ohrschmucks (der besonders bei den Männern auffällt) halten die Aufmerksamkeit des Publikums wach.
Die Zeitsprünge (in der Musik durch die Geburtsdaten der Komponisten hörbar) enden mit Ligetis „4. Lamento“ für Violine, Horn und Klavier (aus Trio, 1982). Wie Bäume im Wind schwanken die Körper im ebenso schwankenden Licht, sie stehen voneinander entfernt und sind einander doch nahe. Das Horn hält noch den dunklen Ton, das Licht schwindet, die Zeit läuft, das Leben geht weiter.

Der Applaus ist langanhaltend und intensiv.
Eine Konzertperformance der reinen Form, keine Botschaft, keine Gesellschaftskritik. Tanz und Musik nehmen sich ihre Zeit im Raum, wecken Emotionen und lassen das Publikum genießen. Die Gedanken zur Zeit, der vergangenen und der aktuellen, darf sich jede(r) selbst machen. Wie angenehm!

„Zeit–Bild“, Bodhi Project / SEAD unter der künstlerischen Leitung Von Etienne Guilloteau. Musikalische Dramaturgie: Alain Franco, Kostüme: Anne-Catherine Kunz. Einmalige Aufführung im Salzlager, Hall i. T., Osterfestival Tirol 2016, 13.3.