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Nadaproductions: „Dance & Resistance“

Gefährdete Bewegungen: Symbolbild © nadaproductions

Im Rahmen ihres Langzeitprojekts „Bedrohte menschliche Bewegungen“ zeigte nadaproductions (Amanda Piña & Daniel Zimmermann) das zweite Kapitel der Tänze aus der Vergangenheit. „Dance & Resistance“ ist ein durchchoreografierter Abend, an dem die alten Tänze aus Archiven und Museen zu neuem Leben erweckt werden und sich zu einer dramaturgisch perfekt gebauten Performance aus Tanz, Musik und Licht fügen. Nicht nur die Tänzerinnen bewegen sich im Kreis auch das Publikum des Tanzquartiers bildet eine Runde, wird zur Gemeinschaft.

Woher diese bedrohten, vergessenen, nahezu aus der tänzerischen Praxi verschwundenen Bewegungen kommen, ist für die Forschungsarbeit von nadaproductions sicher von Belangt, bei der aktuellen Vorstellung war (mir) das ganz egal. Anders als beim ersten Teil, „Four Remarks on the History of Dance endangered human movements Vol 1“ (ImPulsTanz 2015), bei dem rituelle Tänzer in purer Form gezeigt worden sind, gibt es jetzt keine Titel und keine Erklärungen der Tänze. Als eine ganzheitliche Choreografie fließen die einzelnen gefundenen und von den Tänzerinnen belebten Tänze ineinander, erzählen von gefährdeten Tänzen, die die Gemeinschaft aufgeführt hat. Nicht zur Unterhaltung sondern als Ritual. Beschwörung der Götter, Zwiesprache mit der Natur, Bezähmung des Feuers oder Erntedank. Die achtarmige Göttin bescließt die Performance © nadaproductions

Langsam und leise beginnen die Tänzerinnen im Kreis zu tanzen, treffen einander später in der Mitte, bilden als Dreiergruppe eine sich wunderschön bewegende Einheit, von den gestreckten Armen zusammengehalten, ein Tanz der seligen Geister. Der Rhythmus steigert sich, die Furien stampfen den Boden in hämmernden Synkopen. Die Bewegungen mögen aus dem Archiv in die Körper der Tänzer geladen sein, der Tanz ist aktuell, neu, heutig.

Der Aufführungsort (die Bühne der Halle G im Tanzquartier) ist einem privaten Raum gleich. Gazevorhänge begrenzen ihn, sie dienen als Videowand, auf die n Logos von Großkonzernen und Multis projiziert werden, als Anspielung auf die „gegenwärtige neo-liberale Marktwirtschaft“. Aha, Gesellschaftskritik, noch besse,r Kapitalismuskritik muss sein. Muss sein? Mir erscheinen die vervielfältigten Signets als Tapetenmuster für das bürgerliche Wohnzimmer. Sie stören nicht wirklich.

Alte Tänze dürfen nicht aussterben © nadaproductionsDie Lichtregie (Victor Durán) und die musikalische Begleitung (Shayana Dunkelman + Christian Müller) lassen das Gestern vergessen, versetzen die Gemeinschaft ins Heute. Mittendrin erlischt das Licht, im Finstern beginnt ein Geistertanz. In einem Workshop hat Piña mit Gästen diesen Rundtanz erarbeitet: Männer, Frauen, Kinder, Alte, Junge, Große, Kleine tanzen das alte Ritual. Dunkelman hämmert live ihre Percussion-Instrumente, streicht zärtlich über die große Trommel, eine Performerin auch sie. Zu verschwommenen elektronischen Klängen ist Linda Samaraweerová einen Dämon (Dämonen sind böse und gut, schön und hässlich zugleich). Sie nimmt sich Zeit, jede Bewegung wird vorsichtig und präzise setzt sie ihre Bewegungen, zeigt eine abscheuliche Fratze. Nach den energiegeladenen Tänzen wird es wieder ruhiger.
Eine achtarmige Göttin steht still außerhalb des Kreises, zieht sich allmählich ins Dunkel zurück, in der Mitte sitzt einsam eine Tänzerin. Die Vergangenheit ist Gegenwart geworden, die Bedrohung der „menschlichen Bewegungen“ ist ein wenig geringer geworden.

„Ich denke, die Tänze können als ein Teil des menschlichen Reservoirs von Bewegungen und Beziehungen betrachtet werden, über die gesprochene und geschriebene Sprache hinaus.“ (Amanda Piña)

Es war eine Vorstellung, kein Ritual, es darf applaudiert werden. Und das geschieht begeistert und anhaltend.

Amanda Piña / Daniel Zimmermann / Nadaproductions: „Dance & Resistance“, Bedrohte menschliche Bewegungen Vol. 2., 18.3. 2016, Tanzquartier.
Tänzerinnen: Alma QuinrN, Yusimi Moya Rodriguez, Amand Piña, Linda Samaraweerová, Solanghe Enriquez Barrios, Liam Spaenjers und Gäste.