Rollendebut: Schwanensee mit Davide Dato
Prinz Siegfried, der sich in die Schwanenkönigin verliebt, aber einem Trugbild Treue schwört, will jeder Tänzer wenigstens einmal sein. Davide Dato ist seit mehr als 15 Jahren Mitglied des Wiener Staatsballetts und seit sechs Jahren Erster Solotänzer. In der 256, Vorstellung von Rudolf Nurejews Wiener Schwanensee-Choreografie hat er zum ersten Mal das Prinzenkostüm angelegt.
Davide Dato, Publikumsliebling und von den Kritikerinnen hochgelobt, begeistert als Blauer Vogel oder Albrecht, als Lenski oder Colas und natürlich als Basil in Don Quixote und er wäre sicher auch ein großartiger Romeo, doch Siegfried ist er nicht. Woran es liegt, dass dieser Prinz nicht über die Rampe kommt, mich nicht erreicht, weiß ich nicht zu sagen. Liegt es an der Einstudierung an der Partnerin Kiyoka Hashimoto oder am Publikum? Nurejews Choreografien sind immer anspruchsvoll, schwierig und anstrengend, was weder für Hashimoto noch für Dato ein Problem darstellt. Also zwei perfekt getanzte Hauptrollen und doch kein mitreißender Abend. Ein unlösbares Rätsel.
Kiyoka Hashimoto tanzt eine liebliche, zurückhaltende Schwanenkönigin und ist im schwarzen Tutu genau das, was sie in der Rolle sein soll: eine Replikantin, ein gefühlloser Avatar, geschaffen als Trugbild vom Zauberer Rotbart. Davide Dato, mehrfach preisgekrönt, tanzt einen eleganten Prinz, springt und dreht, wie nur er es kann, doch seine Bühnenpräsenz, sein herzerhitzendes Charisma sind an diesem Abend in der Garderobe geblieben.
Eine Talentverschwendung ist es, Solotänzer Géraud Wielick den Zauberer Rotbart interpretieren zu lassen. Choreograf Nurejew hat der Figur in der Wiener Inszenierung nur wenig Platz gelassen, sodass der, von Luisa Spinatelli als Drache verkleidete Tänzer, vor allem durch seine bedrohliche Erscheinung wirkt. Wielick ist ein eindrucksvoller Tänzer, doch böse und bedrohlich ist er nicht. Allerdings ist die Rolle des Rotbart für den Handlungsverlauf ausschlaggebend, also wird sie oft herausragenden Tänzern anvertraut. Schon ab Dezember 1977 war Karl Musil (Erster Solist im Ballett der Wiener Staatsoper von 1965 bis 1983) in 32 Vorstellung auf Wunsch des Prinzen dessen Widersacher Rotbart. Der Prinz war damals der Choreograf Nurejew selbst. In diesem Jahrhundert brachte es Solotänzer Eno Peçi bisher auf 30 Vorstellungen. Und es werden noch mehr werden. Ab 5. Oktober wird die Cashcow wieder auf die Bühne getrieben, Peçi ist Rotbart ab dem 10. Oktober.
Zurück in die Aktualität: Auch Katharina Miffek, die Königin, des Prinzen Mutter, kann mehr als zu Gehen und zu Schreiten. Gut, sie darf in den weißen Akten auch einen großen Schwan tanzen.
Doch darüber gibt es nichts zu sagen, außer dass sämtlichen Schwäne wissen sollten, dass es nicht gut, vor Vorstellung einen Stock zu verschlucken, wichtig aber ist es, sich zu erinnern, dass Schwanenhälse beweglich sind und Schwäne keine Pferde.
Neben Dato und Wielick haben auch Sinthia Liz (Halbsolistin seit dieser Saison) und Duccio Tariello Halbsolist seit 2023/24) als Solopaar im Polnischen Tanz debütiert. Gerechtfertigter Applaus hat das junge Paar belohnt. Überdies debütierte der Corpstänzer Godwin Merano als spanischer Tänzer.
Der Schlussapplaus gab Aufklärung über den Gund eines Besuchs des überlangen und für Kinder wenig geeignete Balletts Schwanensee: Peter I. Tschaikowsky. Abonnentinnen und Städtetouristinnen kommen, um die Musik zu genießen. Dafür gesorgt hat der erfahrene Ballettdirigent Paul Connelly. Er erntete zu Recht stürmischen Applaus und wurde mehrmals auf die Bühne gerufen.
Choreografie & Inszenierung: Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Iwanow.
256. Vorstellung am 20. September 2024. Musikalische Leitung: Paul Connelly
Orchester der Wiener Staatsoper, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Am 5. Oktober werden Ioanna Avraam als Odette / Odile und Arne Vandervelde als Prinz Siegfried debütieren.
Ceterum censeo:
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Ballett eine eigene Website bekommen sollte.