Kosmische Nachrichten für eine bessere Welt
Mit der Uraufführung von A Message ... ist die:der US-amerikanische Tänzer:in und astrologische Berater:in j. bouey zum ersten Mal bei ImPulsTanz zu Gast. Dabei gibt sie:er einen energiegeladenen Einblick in die Kunst des Waacking and Punking, wozu die:der Choreograf:in auch am 5. (Papstwiese beim Donauturm) und 8. August (MuseumsQuartier) einen Workshop im Rahmen der Public Moves geben wird.
Dass die Einladung zum gemeinschaftlichen Erleben und zur Partizipation, wie immer konkret sie gewünscht sein mögen, auch zentrale Momente der diesjährigen ImPulsTanz-Ausgabe darstellen, haben nicht nur eine Reihe bereits besuchter Aufführungen unter Beweis gestellt, bei denen das Publikum bewusst hautnah an den jeweiligen Performer:innen sein durfte, mit ihnen die „Bühne“ teilen durfte, mal involvierter, mal als klassische Beobachter:innen mit einem Touch Wir-Gefühl. So ist es auch bei A Message ...:
Noch vor dem Einlass in den Saal des Odeon wird durch eine Sprecherin herzlich eingeladen, mitzusingen, mitzutanzen (wenn auch auf dem eigenen Sitzplatz) und die Energie des Abends nicht nur zu spüren, sondern auch weiterzugeben. Und so tun es auch viele und erneut an mehreren Seiten der Bühne (dieses Mal sind es drei). Wenn j. bouey und ihr:sein Co-Performer und DJ des Abends, Tyrone Bevans, diesen gemeinsamen Raum betreten, ist die Stimmung gleich zu Beginn so energiegeladen und freudvoll, wie es meist nur gegen Ende eines Abends ist. j. bouey und Bevans begrüßen, stellen sich tänzerisch souverän und selbstbewusst vor, holen weit aus und stellen klar: Hier ist die queere Kraft der Utopie zu Hause.
Nach diesem starken Entrée folgt der Beginn der Geschichte – und eine Ernüchterung: So heiter und lustvoll war die Geschichte „Zions“, jenes Wesens, die an diesem Abend erzählt wird, nicht. Missbrauch und Missachtung, Abstiege – bis in die Hölle und zurück –, Verletzungen und Selbstzweifel, die bis zu Selbstmordgedanken führen, bestimmten die Vergangenheit jener mystischen Figur, die j. bouey an diesem Abend musikalisch, aber auch choreografisch-tänzerisch ebenbürtig von Bevans begleitet, kreiert. j. bouey, der auch in seiner astrologischen Praxis auf „Saturn Return Chart Readings“ spezialisiert ist und auch das aktuelle Stück in seiner laufenden SATURN-Serie ansiedelt, lässt seinen Protagonisten von einem Leben abseits der Erde träumen, einem Leben auf dem „Saturn, wo alle Ringe leuchten“, der Mond in allen Regenbogenfarben strahlt und der Schnee orangefarbig ist.
Ihre „kosmische“ Erzählung entwickeln j. bouey, und Bevans dabei als (technisch fast durchwegs ins Unverständliche verzerrte) Einspielungen einer klassischen Coming-of-age- beziehungsweise Coming-me-Geschichte, in der verschiedene Stimmen episodenhaft über Begegnungen, weise Botschaften (Nyx) und die Kraft, sich in einen – bei j. bouey feurig roten – neugeborenen Phönix zu verwandeln (Mx. Black Copper). In den abwechselnd zu den Texteinspielungen gelieferten Solos der beiden Tänzer, aber auch in ihren gemeinsamen Choreografien beweisen die beiden variationsreich ihre Expertise als internationale Waacking-Größen. Dennoch liegt in dieser dramaturgischen Konzeption des Stücks dessen formale Schwäche, denn die auf die einzelnen Erzählpassagen folgenden Choreografien – stets mimisch begleitete ausgreifende Gesten, die die Tänzer:innenkörper räumlich weit, rauschhaft und ekstatisch werden lassen – wiederholen meist überdeutlich das eben Gehörte, und auch die eingespielten, teils live elektronisch manipulierten Tracks, die von Prince bis Stevie Wonder, von Jimi Hendrix bis Diana Ross reichen, werden gestisch überdeutlich kommentiert. Gibt es Lyrics, duplizieren die beiden Tänzer:innen sie – gibt es keine, werden ihre Körper selbst zu Erzählkörpern – j. bouey bezeichnet sich selbst als „griot“, als Geschichtenerzähler und epischer Sänger/Tänzer:
„At the end of the day and beginning of the next, I am a griot. I receive and share stories through dance projects to support the liberation of our global community.“
Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Möglichkeit, sich in dieser, so der abendliche Begleittext, „afrofuturistischen Geschichte“ über eine „globale Gesellschaft, in der die Unterdrückung abgeschafft ist“, zwischen Gehörtem und Gesehenen einen eigenen interpretatorischen Weg zu bewahren, und damit auch der im Ankündigungstext versprochene „Dialog“. Hier überragt die „message“, so wichtig und notwendig sie ist, alles. Und dann beginnt auch eine lange Stunde, wie ewiger Kreislauf zu wirken.
j. bouey & Tyrone Bevans / J. Bouey Dance Projects: A Message ...; Uraufführung, Odeon, 29.–31.7.2024 im Rahmen von ImPulsTanz
Künstlerische Leitung, Choreografie und Performance: j. bouey; musikalische Leitung, Sound / DJing und Performance: Tyrone Bevans;
technische Leitung und Licht: Cari Koch; Kostüme: Cari Smith;
Foto: © AC Dreams Photography
Anmerkung: Die Anwendung der Geschlechtswörter und Personalpronomina geschieht auf ausdrücklichen Wunsch der teilnehmenden Personen.