Skip to main content

Ballett Don Quixote: Debüt von Ioanna Avraam

Kitri (Ioanna Avraam) und Basil (Arne Vandervelde) sind glücklich vereint.

Ioanna Avraam, Erste Solotänzerin, und Solotänzer Arne Vandervelde haben mit ihrem Rollendebüt als Kitri und Basil im Ballett Don Quixote verdienten Beifall geerntet. Trotz dieses und zahlreicher anderer Debüts – auffallend Gaia Fredianelli als erste Brautjungfer –, wollte es weder dem Dirigenten noch dem Orchester oder dem Corps de ballet gelingen, das Publikum mitzureißen. Diese Aufführung, vom 15. Februar, der Beginn einer Serie von fünf Vorstellungen in wechselnder Besetzung, hat mit der Einstudierung von 2011 unter Manuel Legris nichts mehr gemein.

 Don Quixote mit seinem Diener Sancho Pansa (Zolt Török , Gaspare Li Mandri)Dem Beginn der christlichen Fastenzeit angepasst, war das „Tanzfest der Extraklasse*“ keineswegs von „Fiesta-Laune*“ geprägt, der „feuriger Fandango*“ war ebenso wenig zu sehen wie die „sinnliche Seguidilla*“; die „nie versiegende Lebensfreude*“ hat weder im Orchestergraben noch auf der Bühne Platz gefunden.
Vielerlei Gründe ließen sich dafür finden. Die Distanz des Ballettdirektors zum Handlungsballett mag einer davon sein.Das Liebespaar triumphiert, das Tanzpaar hat sein Debüt überstanden. (Ionna Avraam, Arne Vandervelde) In seinen Choreografien und auch in Gesprächen ist deutlich zu erkennen, dass er am Erzählen von Geschichten, die die Welt zusammenhalten, nicht interessiert ist. Dirigent Robert Reimer hat brav akademisch dirigiert, ein Feuer hat er im Orchestergraben nicht entzündet. Und dass viele der Tänzerinnen, Solistinnen wie Corps-Tänzerinnen, erst am Montag davor in Giselle schwere Arbeit geleistet haben, mag ebenfalls zu Ermüdungserscheinungen geführt haben, sodass der Funke nicht überspringen wollte. Trevor Hayden ist der reiche, eitle, doch nicht gerade kluge Monsieur Gamache.Bleibt die schmerzhaft mit Klamauk und krampfhafter Lustigkeit angereicherte erste Vorstellung der Wiederaufnahme von Rudolf Nurejews Choreografie am Saisonschluss im Juni 2023 in Erinnerung, so ist diese Fasten-Aufführung schnell vergessen.
Schade, denn Ioanna konnte in ihrem lang ersehnten Debüt alle Erwartungen erfüllen. Technisch sind beide Tänzerinnen, Avraam und auch Arne Vandervelde, über jeglichen Tadel erhaben; Gaia Fredianelli entzückt mit ihrem Debüt als Erste Braujungfer im 3. Akt. die schwierigen Schrittfolgen, die sich Nurejew ausgedacht hat, bereiten ihnen weder Kopf- noch Knochenzerbrechen.  Doch Avraam ist eine verschmitzte Verliebte, deren Charme an Basil (Vandervelde) einfach abprallt. Arne Vandervelde ist zu ernsthaft, eher ein Danseur noble als ein Schelm, ein Schlankel, wie man in Wien sagen würde. Es mag auch an der Aufregung über das Rollendebüt liegen, dass er sich nicht lockern und seine Zuneigung zu Kitri nicht zeigen kann.Erste Solotänzerin Ioanna Avraam in perfekter Haltung.
Nahezu perfekt meistert Trevor Hayden immer wieder seine Rolle als eitler, selbstverliebter Gamache, den Lorenzo, der Vater Kitris (Igor Milos), mit seiner Tochter vermählen will. Auch als Choreograf hat Hayden mehrmals gezeigt, welch’ feinen Humor er besitzt, den er ohne zu outrieren auch in der Rolle als Dorfadeliger einsetzt. Eine Besetzung, die passt. Andrey Teterin ist in der Rolle des Espada jedoch eine Fehlbesetzung. Er ist ein feiner Tänzer, doch kein stolzer Spanier. Den kann in sämtlichen Aufführungen, an die ich mich erinnere, lediglich Eno Peçi tanzen. Wenn der Solotänzer erhobenen Hauptes, mit durchgedrücktem Rücken und festen Schritten die Muleta schwingt, ist er in echter Matador. Eine schalkhafte Kitri (Ioanna Avraam) ist in einen ernsthaften Basil (Arne Vandervelde) verliebt.Der Rollenname, Espada, ist dem Degen entlehnt, mit dem der Matador bei einer Corrida dem Stier den Todesstoß setzt. Peçi lässt ahnen, dass er das schafft; Teterin würde als Matador in der Arena ausgebuht werden. Keine Überraschung, dass Alice Firenze, als „Straßentänzerin“ die Partnerin Teterins, ihr sonst so feuriges Temperament gezügelt hat.
Erfreut hat die junge Halbsolistin Gaia Fredianelli mit ihrem Debüt als Erste Brautjungfer. Gala Jovanovic als Myrta in „Giselle“ am Montag so souverän wie als Königin der Dryaden in „Don Quixote“ am Donnerstag.Sie hätte ich gerne als „Amor“ gesehen. Auch zwei der „drei Dryaden“, die Corps-Tänzerinnen Iulia Tcaciuc und Chiara Uderzo, haben ihre Rolle zum ersten Mal getanzt. Hilfreich war dabei sicher die in der vergangenen Saison zur Halbsolistin ernannte Tänzerin Natalya Butchko, die die Rolle bereits im Herbst 2023 einstudiert hat.
Stimmung kommt erst am Ende des 3. Aktes auf, wenn Avraam und Vandervelde im Grand Pas ihre Variationen zeigen. Da klopfen dann auch die Streicher ihren Beifall und der Dirigent streichelt mit dem Staberl seine Handfläche. Nach der festlichen Coda und einhelligem Applaus der begeisterten Stehplatzbesucherinnen dürfen die Tänzerinnen zufrieden ihre Rollendebüts feiern.
* Zitiert aus dem Programmbuch.

Don Quixote, Ballett in einem Prolog & drei Akten. Musik: Ludwig Minkus in einer Bearbeitung von John Lanchbery. 38. Aufführung
Choreografie & Inszenierung: Rudolf Nurejew nach Marius Petipa; Musikalische Leitung: Robert Reimer.
Bühne & Kostüme: Nicholas Georgiadis; Licht: Marc Anrochte.
Das Wiener Staatsballett in der Staatsoper; Orchester der Wiener Staatsoper.
Folgetermine: 18.2. in der besprochenen Besetzung; 25., 27. und 29.2. 2024 mit Eno Peçi als Espada.
Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Ceterum censeo. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Wiener Staatsballett eine eigene Website bekommen sollte.