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Verein zur Rettung der Dinge: „Die Regentrude“

der Verein zur Rettung der Dinge: Peter Ketturkat, Karin Bayerle. © privat

Der Verein zur Rettung der Dinge, das sind Karin Bayerle und Peter Ketturkat, hat mit seinem Puppen- und Objekttheater einem Publikum jeglichen Alters schon mehrfach Entzücken und Erkenntnis gebracht. Mit dem Spiel „die Regentrude“ nach Theodor Storm ist dem Paar ein Meisterwerk gelungen. Mit Puppen und Objekten zeigen sie eine Parabel über Mensch und Natur, so amüsant wie tiefsinnig, ein Klimastück, ohne das Wort Klima zu benutzen.

Sujet zu "Die Regentrude". © Karin BayerleDie Geschichte von Storm (1817–1888) ist schnell erzählt. Die Regentrude ist eingeschlafen, weil die Menschen sich nicht mehr um sie (die Natur) kümmern, der Feuermann tanzt über die Felder, die Schafe verdursten, doch das geht den hartherzigen, geizigen Wiesenbauern nichts an. Er erntet das Heu und hält seine Tochter an der kurzen Leine. Sie darf den armen Andres nur heiraten, wenn der Himmel sich bewölkt und Regen ausgießt. Das scheint aussichtslos, bis die Tratschweiber im Dorf, drei freundliche Hexen, Rat wissen: Ein Mädchen muss die Regentrude wecken. Die Kinder Maren und Andres. Gesichter wie von Paula Modersohn-Becker gemalt. © Karin Bayerle
Maren, des Wiesenbauern Tochter, macht sich, begleitet von Andres, auf den Weg. Tapfer löst sie alle Aufgaben und kann schließlich den Deckel des Brunnens heben, der Feuermann, ein Bruder von Rumpelstilzchen, hat nichts mehr zu melden, auch der reiche Bauer nicht, er muss Maren dem armen Andres geben. Versprochen ist versprochen.
Karin Bayerle, die Puppenmacherin, hat den Kindern und erwachsenen Frauen Gesichter aus dem malerischen Werk von Paula Modersohn-Becker (1876–1907) gegeben, was dem Spiel einen eigenen Zauber verleiht. Die Magie steuert Peter Ketturkat mit einer Miniaturbühne auf drei Ebenen bei, mit riesigen Lampenschirmen, die sich öffnen und die unterschiedlichen Schauplätze freigeben und kleinen Schirmchen, die am Ende als Blumen auf der Wiese erblühen, während im Wald, in der anderen Ecke des Bühnenraums, die Pilze erglühen. Doe Tratschweiber des Dorfes wissen Rat. © Karin Bayerle
Diesmal verbergen sich Spielerin und Spieler nicht. Ketturkat tritt mitunter als Erzähler vors Publikum und Bayerles Gesicht leuchtet geheimnisvoll hinter dem durchscheinenden Vorhang. Der Weg der beiden Kinder wird mit einem kleinen Schattenspiel in einem Lampion gezeigt. Am Ende sind Maren und Andres erwachsen geworden, schippern im Boot auf dem Dorfbach nach Hause und dürfen Hochzeit feiern.
Geschickt händeln Bayerle und Ketturkat die Puppen und Objekte. Maren muss einen schweren Schlüssel schleppen, um den Brunnendeckel zu heben und davor dem egoistischen Vater in der silberglänzenden Wanne das Badewasser richten. Die Schafe gehen leer aus. Paula Modersohn-Becker: Mädchenbildnis mit gespreizter Hand vor der Brust, 1905. © von der Heydt-Museum, Wuppertalt, www.musee-boettcherstrasse.de Zur Verzauberung der Kinder und Begleiter:innen trägt auch die musikalische Begleitung durch Lorenz von Hötting mit der Bratsche bei. Er improvisiert gekonnt zu den einzelnen Szenen, lässt den Feuermann tanzen und Bauern seine Befehle schnauzen, variiert dabei auch manch bekannte Weise. Die Musik erweitert den Raum und vertieft das Spiel, das gesamte Setting hält kleines und großes Publikum in Bann. Dass die Regentrude nur von einem Mädchen geweckt werden kann, kränkt manchen kleinen Naseweis. Vielleicht heißt diese Bevorzugung der weiblichen Welthälfte auch, dass Krieg keine Lösung ist.
Das Feuermännchen tanzt über die Felder. © llustration Jan Kudláček (Die Regentrude. Artia Prag, 1972).www.marchenatlas.de Aber im Verein zur Rettung der Dinge wird man niemals belehrt, sondern fasziniert, unterhalten und beglückt. Neue Erfahrungen und Wissen darf man selbst unter der Oberfläche entdecken oder sich zusammenreimen.
„Die Regentrude“ sollte samt ihrer Entourage und Ausrüstung durch Lande ziehen, in Linz, Graz oder Salzburg und auch jenseits der Grenzen auftreten und, wenn schon nicht den nötigen Regen, der auch in diesem warmen Winter 2022 nötig wäre, so doch Verzauberung, Unterhaltung und Puppentheaterkunst auf höchstem Niveau bringen. Nika Sommeregger hat die knappe Märchenstunde als Endregisseurin abgerundet.

Verein zur Rettung der Dinge, Karin Bayerle, Peter Ketturkat: „Die Regentrude“
Spiel: Karin Bayerle, Peter Ketturkat: Produktion, Regie: Peter Ketturkat, Karin Bayerle; Bühne: P. Ketturkat; Puppenbau: K. Bayerle. Musik: Lorenz von Hötting. Endregie: Nika Sommeregger.
Premiere: 15.2.2022. Vorstellungen bis 20.2.2022, Dschungel Wien.