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Tabea Martin: „Forever“, Gastspiel im Dschungel

"Forever", ein Tanz vom Leben und vom Tod.

Die letzte Vorstellung der Saison im Dschungel geriet zum Fest. Ohne Maskenzwang durfte das ausverkaufte, großartige Gastspiel aus der Schweiz genossen werden. Tabea Martin hat die Coreografie „Forever“ gezeigt, dabei wird mit dem Tod und um ihn herum das Leben getanzt. Mit anhaltendem Jubel wurde der Vorstellung Lob gespendet. Lob und Applaus hat auch die künstlerische Leiterin des Dschungel, Corinne Eckenstein, samt ihrem Team für unermüdliche Arbeit und Energie erhalten.

Rebecca als Tatortreinigerin. Ketchupblut auf dem Boden ist gefährlich. „Forever“ ist ein Tanztheater, das Choreografin Tabea Martin mit einem Quintett aus zwei Tänzerinnen und drei Tänzern erarbeitet hat. Auch die Zielgruppe, Heranwachsende ab 12,  wurde miteingebunden und befragt, was sie vom ewigen Leben und den Arten des Sterbens denke. Lebhafte Diskussionen hat es auch im Dschungel nach der Schulvorstellung am Vormittag gegeben. Nicht alle jungen Zuschauerinnen waren mit der fröhlichen Lockerheit der getanzten Gedanken über den Tod einverstanden.Die Körperpyramide zeigt Zirkuskunst bietet Zusammenhalt.

Die fünf Tänzer:innen, wie die Bühne in weißen Kunststoff gehüllt, stellen sich mit ihren Vornamen vor und erzählen zu Beginn, dass sie auserkoren seien, ewig zu leben: „Ihr werdet nicht mehr da sein, aber wir sind immer noch da.“ Doch das ewige Leben verliert bald seinen Reiz – Rebecca und Tamara, Benjamin, Miguel und Daniel probieren tanzend aus, wie sie sterben möchten. Dabei rinnt und spritzt aus vom Plafond hängenden Kanistern immer wieder Blut und Wasser. Das Blut kann auch geschluckt werden, ist ja aus Ketchup gemacht. Daniel will im Veitstanz sterben, die beiden Damen ziehen es lässig und elegant vor. Miguel und Benjamin sind keine Helden, sie jammern und wimmern, wenn sie sich vorstellen, wie ihr Ende sein könne. Doch noch ist niemand zur Trauer verpflichtet, schließlich ist dem Quintett das ewige Leben versprochen. So wird fröhlich wiederbelebt, kaum ist so eine Sterbestunde simuliert. Miguel, Benjamin, Daniel und Tamara in Aktion. Von Rebecca sind nur die Füße zu sehen.
Rebecca hat Plakate, aus weißem Plastik wie auch die Ballons, die vom Bühnenhimmel hängen, auch auf dem Bühnenboden kugeln und dort mit lautem Knall zerplatzen, beschrieben, die von unterschiedlichen Todesarten erzählen. Friedlich im Bett zu sterben, ist nicht vorgesehen. Spektakuläre Todesarten, wie, von der Brücke zu springen, haben den Vorzug.
Das alles ist eine große wirbelnde Hetz inklusive einer gefährlichen Rutschpartie auf dem nassen, mit Blut bedeckten Boden. Manche der hängenden Kugeln und auch das ausgestopfte Tier an der Zugkette dienen zum An- und Ausschalten von Licht und Musik, das Tier, ich nenne es Fuchs, gibt ein schnarrendes Geräusch von sich, das heißt: „Ende der Tollerei. Alles aufstellen und sich besinnen!“ Miguel probt das Sterben (hinter ihm baumelt der Blut-Kanister). Perfektes Timing ohne Leerlauf, energiegeladene Präsenz der Tänzer:innen, die sich nicht schonen und Körperkunst und Ausdruckskraft zeigen, eine ebenso kunstvolle wie perfekte Vorstellung. Ob sie dem Thema, mit dem sich Schüler:innen befassen sollen, gerecht wird, wage ich nicht zu beurteilen. Für Erwachsene ist „Forever“ eine Erholung und auch eine Erinnerung, dass nicht in jeder Kultur der Kreislauf des Lebens, zu dem auch das Ende gehört, weil es immer wieder einen neuen Anfang gibt, so konsequent negiert wird wie in der christlichen. Ein gutes Leben hat meist ein gutes Ende, und das ist ein guter Grund zu tanzen. Und auch eine gute Vorstellung hat meistens ein gutes Ende, in diesem Fall ein besonders gutes, denn die noble Schweizer Botschaft hat auch noch zu Speis und Trank eingeladen.

Einmaliges Gastspiel. Tabea Martin: „Forever“
Choreografie: Tabea Martin. Tanz: Tamara Gvozdenović, Rebecca Jouno, Benjamin Lindh, Daniel Staaf, Miguel do Vale. Bühne: Veronika Mutalova; Kostüme: Mirjam Egli; Licht: Simon Lichtenberger; Dramaturgie: Irina Müller, Moos van den Broek, Musik: Donath Weyeneth. Eine Koproduktion mit Kaserne Basel. 1.7.2021, Dschungel Wien.
Fotos: © Nelly Rodriguez