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Burrows + Fargion – Tanzquartier

Matteo Fargio, Jonathan Burrows: Performance macht Freude. © Ben Parks

Egal, was die beiden Mittfünfziger zeigen, ob sie ein sitzendes Duett tanzen, oder ein stilles, ob sie erzählen, musizieren, rezitieren oder singen – Jonathan Burrows, der Tänzer und Choreograf + Matteo Fargion der tanzaffine Komponist, schaffen es, das junge Publikum im Tanzquartier anderthalb Stunden zu fesseln. Auch bei dem Doppelprogramm „Show and Tell / Body Not Fit For Purpose“ wäre die Stecknadel gehört worden, so sie gefallen wäre.

Jonathan Burrows und Matteo Fargion haben einander 1989 bei einem Symposium für Choreografen und Komponisten kennen gelernt und sind sofort füreinander entflammt. Doch erst im neuen Jahrhundert konnte der Bühnenstar den im Hintergrund arbeitenden Komponisten bewegen, gemeinsam auf der Bühne zu sagen, was sie zu spielen und zu tanzen hatten. Burrows hat sich von einer eigenen Compagnie verabschiedet und wollte im Duett arbeiten. Nach seinem „Weak Dance Strong Question2 mit dem niederländischen Regisseur Jan Ritsema, zeigte er 2002 mit Matteo Fargion „Both Sitting Duet“.

Ein Kultpaar war geboren.

Auch in dem von der Biennale Venedig 2014 beauftragten Stück „Body Not Fit For Purpose“ zeigen die beiden Künstler alle Stärken und Feinheiten, die sie auszeichnen und das Publikum staunen lassen. „Ein politisches Stück, das erste“ steht allerorten zu lesen. Ja, es werden Namen genannt, von Putin bis Bush, doch was Burrows, zeigt und Fargion auf der Mandoline begleitet, ist die Tatsache, dass Tanz nichts Bedeutungsvolles ausdrücken / sagen kann. Aber der tanzende Körper, selbst wenn es nur der Oberkörper samt Armen, Händen und Fingern ist, kann von seiner Lust an der Bewegung erzählen. Und wenn dann der Begleiter auf seinem Instrument das Modell der „Folia“ (Tollheit, vor allem in der Barockmusik häufig variiert) paraphrasiert, dann darf geschaut, gelauscht und auch gelacht werden. Denn Jonathan Burrows und Matteo Fargion haben jede Menge englischen Humor und italienische Ironie (oder vice versa) in ihrer Partitur. Erinnerung an "Cheap Lecture / The Cow Piece",  ImPulsTanz 2010. © Herman Sorgeloos

Eingeleitet wurde der Abend jedoch von einer Präsentation. Der Tänzer und der Komponist zählen auf, was sie beeindruckt, geprägt, gewendet und gewandelt hat: Filme und Choreografien, Musikstücke und Kabarettauftritte. Der Großteil der Zuschauerinnen war noch nicht mal geboren, als Burrows oder Fargion über Pasolinis Bibelfilm, Bronislawa Nijinskas Choreografie zu Strawinskys Musik „Les Noces“ oder Morton Feldmans Komposition „For John Cage“ staunten.

Im Überschwang der Erinnerungen. Bei aller Liebe aber, die Aufzählung geriet, trotz der Erklärungen, was ihnen jeweils so besonders schien an dem ausgewählten Werk, allmählich zu einem Wettbewerb für das schrägste Video, die wildeste Musik. Die Liste, der Werke, von denen die jungen Männer in den 1970/80er Jahren entzückt (oder auch von Albträumen heimgesucht) waren, schien endlos. Obwohl ich den abschließenden Titelsong (eher: gesungen Titel und Namen) nicht missen wollte. Und wer auch für das neue sitting Duett noch genügend Konzentration hatte, konnte sehr wohl feststellen, was den beiden Künstlern geblieben war, von ihren Jugendeindrücken.

Jonathan Burrows + Matteo Fargion: „Show and Tell + Body Not Fit For Purpose“, 2. Und 3. Oktober 2015. Tanzquartier