Tatsächlich, die erste Nach-Corona Premiere. Live im Dschungel Wien. Damit kein Irrtum entsteht: Covid-19 hat sich keineswegs verabschiedet, grassiert immer noch, doch jetzt heißt es Eigenverantwortung zeigen, die vorgeschriebenen Bedingungen einhalten, dann öffnet sich nach mehr als drei Monaten wieder der Vorhang. Im Dschungel Wien dürfen „Medeas Töchter*“ laut und heftig werden und ihre Geschichten erzählen. Fünf sogenannte Systemerhalterinnen wollen nicht mehr unsichtbar sein. Das gelingt ihnen auf der Bühne bestens und perfekt.
„Medeas Töchter*“ ist ein umfassendes Projekt, das schon im vergangenen Herbst seinen Anfang nahm. Unter der kreativen Leitung von Magda Chowaniec, Corinne Eckenstein und Asli Kişlal ist bereits im September 2019 begonnen worden, zu recherchieren, Mitwirkende einzuladen und authentische Erzählungen zu sammeln und daraus mit der Autorin Tunay Önder Medea-Geschichten zu entwickeln.
Fünf davon durfte das auf Abstand gehaltene Publikum jetzt erleben. Medeas Töchter*, das sind junge Frauen, deren Sichtbarkeit und Einflussnahme auf die Gesellschaft aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder politischen Ansichten in den Hintergrund gedrängt werden. Sie sind unsichtbar, unhörbar, eben hat man ihnen aus der Ferne ein müdes Dankeschön zugewinkt. Gut, Corona und die Verordnungen und Gesten waren bei Probenbeginn nicht geplant. Fröhlich haben die Proben begonnen, Medeas Töchter* erzählten, besuchten Workshops,
spazierten oder marschierten durch die Straßen Wiens, eroberten auch die kleine Gasse in Wien, die nach ihrer Urmutter benannt ist. Und plötzlich war alles anderes.
Doch diese Töchter* lassen sich nicht unterkriegen, sie wollen sich „hochducken“, was auch die Projektleiterinnen Chowaniec, Eckenstein und Kişlal auszeichnet. Sie haben fernkommuniziert, Videos gedreht, sind online gegangen und eine kleine Vorschau geplant. Doch diese hat sich schließlich als kompakte, perfekte Premiere herausgestellt. Was Medeas Töchter* (Kassierin, Putzfrau, Frisörin, Krankenschwester, Schauspielerin) in einer knappen Stunde zu sagen haben, ist hörenswert, wie sich die fünf jungen Frauen auf der Bühne bewegen und agieren, sehenswert.
Übrigens sind Medeas Nachkommen auch der Ansicht, dass die dunkelhäutige Frau aus Kolchis am Schwarzen Meer nicht das Monster ist, wie sie in der von Männern geschriebenen Geschichte dargestellt wird. Die mythische Gestalt der Medea hat sich erst im Lauf der Jahrhunderte in eine Tragödie gewandelt. Im 8. Jahrhundert. v. Chr. haben die Kreter sie als ihre Königin berufen, ihr Mann Jason wurde König. Königstöchter sind sie all, „Medeas Töchter*“. „Wir glauben“ sagen sie, „Medeas Problem war, dass sie alleine war. Ohne Mitstreiterinnen. Wir sind Medeas Töchter, weil wir sprechen.“ Kraftvoll, laut und beeindruckend. Ihnen zuzuhören war ein Erlebnis.