Malika Fankha: „Oxy Moron“, brut / imagetanz
Die Schweizer Künstlerin Malika Fankha hat viele Talente, sie ist Schauspielerin und Tänzerin, Sängerin und Slam-Poetin, DJ und singen kann sie auch. Im Rahmen von imagetanz zeigt sie im studio brut die gesamte Palette ihres Könnens und unterhält mit „Oxy Moron. A Cyborg Utopia“ aufs beste.
Von der finsteren Bühne stechen leuchtend grüne Augen auf die Reihen. Könnte eine Katze sein, eine Hexe oder ein Cyborg, ein Wesen, das Mensch und Maschine zugleich ist. Der Untertitel der Show – „a cyborg utopia“ legt die Überlegung nahe. Unheimlich sind diese Augen auch dann noch, wenn sich das Wesen in riesenhafte Höhen erhebt und sich dem Publikum mit verkehrt montierten Armen nähert. Es dämmert mir: Auf hohen Kothurnen schreitet ein Mensch rückwärts, das Gesicht ist eine am Hinterkopf montierte Maske. Dieses Kunstwerk allein genügt, ich könnte eine ganze Vorstellung lang dieser Figur mit dem Januskopf zusehen, wie sie sich bewegt, die Arme hebt und schlenkert und sich im Licht biegt und wendet. Doch Malika Fankha – dass sie es ist, war von Beginn an klar, es steht nur eine einzige Darstellerin auf dem Programmzettel – hat noch mehr in ihre Büchse, die nicht von Pandora geliehen ist und nur Grauslichkeiten enthält, sondern eher von Flora, der Frühlingsgöttin, die Buntes, Duftendes und Heiterkeit verteilt.
Die Hexe oder was jede bis jetzt gesehen hat, befreit sich vom langen Zottelhaar und der bös blickenden Maske und zeigt ihr anderes Gesicht. Die neue Maske lächelt rätselhaft wie Mona Lisa. Die oder der? Das ist immer noch nicht geklärt. Und danach doch Cyborg: „I’m very down to earth, but not on this one“, erklärt sie. Doch auch die / der bleibt nicht erhalten, Malika Fankha ist eine Gestaltwandlerin, in blitzschnellen Metamorphosen wird sie dauernd zu einer anderen, lässt sich rot oder grün beleuchten, zaubert die wunderlichsten Kostüme an den Leib, während sie sicher und behände auch die Musik steuert.
Gekonnt und elegant zeigt sie sich in unterschiedlichen Posen, doch ist ihr die Bewegung weniger wichtig als der gesprochene Text, wahr oder erdacht, jedenfalls reichlich und auf Englisch mit einem knappen Ausflug ins Schwyzerdütsch. Ob die Fremdsprache notwendig ist, kann ich nicht entscheiden. Doch Fankha kann mit den Wörtern umgehen, das zeigt bereits der Titel „Oxy Moron“, der in sich ein Oxymoron ist. Der Begriff ist dem Altgriechischen entlehnt und bedeutet „scharf“ (oxy) und „blöd“ (moros), doch die zwei Attribute schließen einander aus, wie bitter-süß oder stummer Schrei. Fankha stellt mit dem Titel „unsere Besessenheit, dass alles immer sinnvoll und erklärbar sein muss“ in Frage.
Schon 2019 hat sie einen Einblick in ihr multiples Selbst in Wien (im_flieger) und in Zürich (Tanzhaus) gegeben, heuer ist die Aufführung perfekt, eine mit Witz gewürzte Show, an der Valérie Reding (Kostüm, Bühne, Makeup) keinen geringen Anteil hat. Sie hat mit den Brustwarzen, die den Oberkörper und auch das Gesicht bedecken, den Dekorationsvogel abgeschossen. Diese Gummiknöpfe sind mit einem Fingerschnippen mit allerlei Accessoires und Gimmicks zu bestücken. Da flattert ein Schmetterling auf der Stirn, das Feuerzeug klebt am Bauch und hinter dem Ohr wartet ein kleiner Fächer, der für kühle Luft sorgen darf.
Nur kurz blitzt auf, dass die / der Metamorph mit ihren / seinen vielen Gestalten gar nicht zufrieden ist: „I wish I had a body on my own.“ Das applaudierende Publikum möchte ihr / ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Zu souverän agiert Fankha, zu amüsant und abwechslungsreich ist die Show.
Malika Fankha: „Oxy Moron. A Cyborg Utopia“. Künstlerische Leitung, Performance: Malika Fankha. Makeup, Kostüme, Bühne: Valerie Reding. Musik: Dark Euphoria feat. AC/Boy. Licht: David Baumgartner. Fotos: Valérie Reding. Gesehen am 9. März 2020, studio brut im Rahmen von imagetanz.
Weitere Vorstellungen am 10. und 11. März 2020