Brut Imagetanz: Doppelte Eröffnung
Mit einem Doppelabend hat das brut im Ankersaal in Favoriten den Beginn des imagetanz-Festivals gefeiert. Ingrid Berger Myhre & Lasse Passage und Inga Huld Hákonardóttir zeigen zwei unterschiedliche Performances, die beide auf Musik basieren. Tania Napravnik war bei der ausverkauften Premiere am 8. März dabei und schildert ihre Eindrücke.
Ingrid Berger Myhre & Lasse Passage: „Panflutes and Paperwork“. In der österreichischen Erstaufführung zeigen die Choreografin Berger Myhre und der Musiker Lasse Passage ein fröhliches Stück, das sich durch die intime Verbundenheit und gleichzeitige Gelassenheit der beiden auszeichnet. Sie zeigen erfrischende und gut abgestimmte Rhythmen, Duette, Tanz- und Stimmeinlagen in hellen Tönen und Farben. Die Liedtexte sind witzig, leicht und luftig. Nichts wirkt nach großer Anstrengung, außer die synchronen Bewegungsabläufe. Das Stück befasst sich mit Körper- und Instrumentenklängen und basiert auf „demokratischer Mitsprache und -bestimmung“, wie die beiden betonen. Eine zentrale Frage in ihrem Arbeitsprozess war, wie das Gemeinsame in unterschiedlichen Aktivitäten und als gleichgestellte Partner*innen dargestellt werden kann. Dieser paritätische Ansatz durchzieht das gesamte Stück, immer wieder verständigen sie sich durch vertraute Gesten oder leiten abwechselnd neue Teilakte durch erklärende Ansprachen ein. So kann das Bühnengeschehen klar mitverfolgt werden: Wenn sie ihre Rollen tauschen – er tanzt, sie musiziert – wird das Publikum darauf vorbereitet, sodass keine Missverständnisse entstehen und keine*r der beiden Gefahr läuft, durch das Lachen des Publikums entblößt zu werden. Speziell für Lasse Passage war es wichtig, „ein selbstbestimmtes Stück“ zu produzieren, denn „als Musiker stoße ich in Produktionen oft nur zum Schluss dazu.“ In „Panflutes and Paperwork“ setzen Myhre und Passage auf unverblümte Offenheit, sie scherzen über den Alltag wie auch über Bühnenpannen, das Publikum reagiert darauf mit tosendem Applaus.
Inga Huld Hákonardótir: „Again the Sunset“. Auch Inga Huld Hákonardóttir präsentiert in Kooperation mit dem französischen Soundkünstler Yann Leguay ein Stück, dessen Klänge unter die Haut gehen. Zu Beginn bearbeiten die in schwarz gekleideten Künstler*innen einen Holzpflock, auf dem sie zu zweit stehen und jeweils mit einem riesigen Hammer einschlagen. Ein dumpfer, gleichbleibender Bass entsteht, Hákonardóttir singt über „weiche Steine und davonziehende Wolken“, die beiden drehen sich im Kreis und werfen dabei lange Schatten an die Wand. Sie hämmern hemmungslos auf den Balken ein, bis die Erschöpfung einsetzt und sie zu Lagerfeuer überleiten. Dabei legt Yann Leguay Elektro-Beats auf, während sich Hákonardóttir in die Transzendenz tanzt und singt: Hexenartig, abgehackt und gleichzeitig schwebend, bewegt sie sich über die pechschwarze Bühne, losgelöst von der Erde, aber noch nicht im Jenseits angekommen. In dieser Trance, inspiriert von ihrer isländischen Großmutter und deren Zeitgenossinnen, drückt sie vergangene Erfahrungen auf gespenstische Art und Weise körperlich aus. Währenddessen greift Leaguay wieder zum Holz, um rhythmische Töne durch dumpfe Schläge zu erzeugen, Hákonardóttir folgt seinen Klängen mit beeindruckendem Gesang und eindrücklicher Bewegung. Die präzise abgestimmte Verbindung zwischen Licht, Material, Musik, Geschichte und Tanz erzeugt eine spannungsgeladene Stimmung, fernab der Realität.
Eröffnungsvorstellungen von imagetanz: 8.März 2020, brut im Ankersaal.
Ingrid Berger Myhre & Lasse Passage: „Panflutes and Paperworks". Performance: Ingrid Berger Myhre und Lasse Passage; Musik: Lasse Passage und Ingrid Berger Myhre; Licht: Edwin van Steenbergen; Kostüme: Min Li Fotos Rob Hogeslag.
Inga Huld Hákonardóttir: „Again the Sunset”. Konzept, Choreografie und Performance: Inga Huld Hákonardóttir; Komposition und Performance: Yann Leguay; Bühne Inga Hákonardóttir und Yann Leguay; Licht: Gregory Rivoux.
Die Dramaturgin Angela Heide war ebenfalls Gast der Eröffnungsvorstellungen. Sie analysiert und assoziiert und schenkt „tanzschrift” ihre poetischen Texte: Panflutes and Paperworks / Again the Sunset.