ImPulsTanz: Teresa Vittucci „Hate me, tender“
Hate me, tender“ ist der erste Teil von Teresa Vittuccis Recherche-Projekt zum Thema Hass und Feminismus. Sie nennt ihren ImPulsTanz Festival-Auftritt im Volx / Margareten „Solo for future feminism“.
Mit trockenem Witz und schwellendem Fleisch konnte sie ihr Publikum im intimen Theaterraum begeistern.
Da liegt sie, hingegossen wie eine Odaliske, den bemalten Körper von einem orange-rosa Schleier verdeckt, die schönen Augen schwarz umrandet. Im Hintergrund weiße Lilien, das Attribut der Jungfrau Maria. Der Oberkörper ist bemalt, weiß, Brüste, Bauch und Arme braun umrandet. Wie eine Rüstung sieht es aus, wenn sie den Schleier abwirft. Mit dem dünnen Tuch kann sie allerhand anstellen, das Gesicht verdecken und die freigelassenen Augen zum Funkeln bringen: eine orientalische Schönheit; das Tuch als Schutzmantel tragen oder auch als Blutbahn aus der Vagina rinnen lassen. Denn es geht um das verdammte Hymen, das Siegel, das den Männern die Macht über die Frauen verleiht.
Vittucci meint, es sei auch im Leben junger Frauen von heute noch prägend. Wer es hat, ist Virgo intacta, Jungfrau, unberührt, rein, perfekt, heilig fast, wie die von den Katholiken verehrte Mutter des Jesus, Maria. Die war Jungfrau für immer, auch wenn sie einen Sohn geboren hat (wie Apokryphen vermelden, auch andere Kinder). Wenn die Performerin die Augen zum Himmel erhebt, sich den frommen Blick zulegt, sieht sie der Himmelmutter auch ohne blauen Mantel und Heiligenschein ziemlich ähnlich.
Doch Teresa Vittucci hat nicht die Absicht, heilig zu werden, sie plagt sich mit der Versiegelung und erzählt dem Publikum, dass nicht nur das Tor für den Samenspender anfangs verschlossen ist, auch die Augen des Säuglings haben, bevor er sie aufschlägt, ein Häutchen und das Trommelfell im Ohr, wird nur mit Gewalt durchstoßen, und das ist nicht gesund. Genial verwendet sie ihre rosafarbene Stiefelette mit dem hohen silbernen Absatz als Demonstrationsobjekt für die Penetration der Vagina. Ernsthaftes Nachdenken ist kaum möglich, zu schnell wechselt Teresa die einzelnen Themen. Sie geizt nicht mit persönlichen Geständnissen und lässt das Publikum auch den Refrain zum Lied über die Jungfrau, die rein ist, weil sie eben Jungfrau ist, mitsingen: „Oh Virgin, oh Virgin, oh Vergin“. Die Begeisterung kennt keine Grenzen, Vittucci kann den Chor kaum bremsen.
Wenn sie sich mit einem Riedgrasbüschel der masochistischen Lust hingibt und sich ausgiebig selbst geißelt, wird’s ein wenig schauerlich und sehr katholisch. Nicht nur in der christlichen Religion wird die Jungfernschaft, die probate Methode zur Unterdrückung der Frau, hochgehalten. Allerdings dient ja das eher als lästig empfundene Hymen (Jungfernhäutchen) auch als Abwehr gegen Keime und Infektionen. Doch dieses Grasbüschel kann auch als Maschinengewehr eingesetzt werden, dann verzerrt sich das Gesicht, die Miene wird hasserfüllt. Zum Fürchten!
Teresa Vittucci ist in Wien geboren und lebt zurzeit in Zürich, doch sie ist auch in der Heimatstadt keine Unbekannte. Sie hat mit dem Loose Collective gearbeitet und sich mit anderen Freien Gruppen einen Namen gemacht, zuletzt hat sie im September 2018 mit ihrem Solo „All Eyes On“ auf dem verspiegelten Podest im WUK ihren Körper den Gaffern und Voryeuren zur Schau gestellt.
Zum Nachdenken und Diskutieren bietet Teresa Vittucci auch in „Hate me, tender“ allerhand Themen an, doch vor allem zeigt sie eine impulsive, einnehmende Performance, die so unterhaltsam, witzig, kurz und knapp ist, dass ich gerne noch mehr gesehen hätte. Doch sie hat ja versprochen, dass sie weiter recherchieren und hoffentlich auch auftreten wird, ohne sich selbst zu schonen, wie in „Hate me, tender“.
Teresa Vittucci: „Hate me, tender“. Konzept und Performance: Teresa Vittucci. Dramaturgische Beratung: Simone Augtherlony, Benjamin Egger; Szenografie: Jasmin Wiesli, Teresa Vittucci. 28., 30., 31. Juli 2019, ImPulsTanz im Volx / Margareten.