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Mythen & Menschen im Haus der Erinnerungen

Die Welle spuckt die Toten und Verletzten aus.

Memoryhouse, Haus der Erinnerungen, nennt der Choreograf Maciej Kuźmiński das Tanzstück, das er mit dem Ensemble Tanz Linz zurzeit einstudiert. Begleitet wird die Aufführung mit Musik von Max Richter, John Luther Adams, Philip Glass, Luigi Nono, Frédéric Chopin und anderen. Das Sounddesign hat Hodei Iriarte Kaperotxipi kreiert. Am 9. Februar hat Memoryhouse Premiere, ausnahmsweise nicht im Musiktheater, sondern im geschichtsträchtigen Schauspielhaus an der Promenade.

Nach der Katastrophe: Ensemble Tanz Linz probt im SchauspielhausKuźmiński setzt die gesamte Compagnie ein. 16 Tänzer:innen bewegen sich  als Gruppe, in Solos und Duetten in und um eine riesige Welle im Zentrum der Bühne. Gabriela Neubauer, Bühnen- und Kostümbildnerin, hat sie entworfen, in den Werkstätten wurde sie gebaut. Das schwer anmutende Objekt zeigt, mithilfe der Drehbühne, unterschiedliche Ansichten. Als Betonbunker zeigt es sich von der geschlossenen Seite, an japanische Holzschnitte erinnert das dynamisch aufregende Ende der Welle, als Tunnel mit einer Rutschbahn wie in einem Skatepark wirkt die Hauptansicht. Mit Skatern an den Füßen tanzen Lorenzo Ruta, Yu-Teng Huang und ihre Kollegen zwar nicht, aber sie werfen sich schon mal hinein in diese Welle, die auch als Spirale gesehen werden kann und so die Metapher vom Rad der Zeit materialisiert. Eine Spirale, eine Welle, ein Skate-Objekt? Ganz sicher die Bühneninstallation von Gabriela Neubauer.
Das Memoryhouse steht außerhalb der Zeit. Es beherbergt alte Mythen und Sagenfiguren, hat aber auch Räume für die Katastrophen, die im Laufe der Jahrtausende die Menschheit heimgesucht haben. Alle diese Rituale und Ereignisse, die Träume und Fantasien werden von Generation zu Generation als Erinnerung weitergegeben, sind in die Körper eingeschrieben. Der menschliche Körper ist auch ein Haus der Erinnerungen.
Choreograf Kuźmiński hat keine festgelegten Rollen verteilt, doch die drei Moiren, die Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie, tauchen auf, auch an Sisyphos, dessen Strafe sprichwörtlich für sinnloses Arbeiten ist, wird erinnert . Weil er die Götter verspottet hat, muss er auf ewig und immerdar einen Stein auf einen Berg wälzen. Oben angekommen, entgleitet ihm der Stein und poltert wieder ins Tal. Der Versuch, die Stein gewordene Welle auf der Bühne zu verschieben, gelingt ihm auch nicht. Der Faun, das lüsterne, gierige Wesen mit Bocksbeinen, tanzAuch in „Memoryhouse“ zeigen die Tänzer ihr akrobatisches Können. t im Kreis gegen den Uhrzeiger. Andere Solistinnen sind nicht identifiziert, es sind Schatten, Erinnerungen, Albträume, Traumata, die sich im Memoryhouse bewegen. Kuźmiński lässt in seiner symbolträchtigen Choreografie den Tänzerinnen ihre Persönlichkeit, Männer und Frauen lassen nicht nur ihre eigenen Erinnerungen einfließen, sondern zeigen auch ihre individuellen Fähigkeiten und Stärken.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Musik, die das Geschehen begleitet und akzentuiert. Hodei Iriarte Kaperotxipi hat die Werke unterschiedlicher Komponisten von Frédéric Chopin über Philip Glass bis Max Richter (geboren 1966) zu einer Symphonie zusammengeschweißt, die rhythmisch und melodiös die Gefühlsebene bildet. Ausdrucksstark und körperbetont sind auch die Tänzerinnen. In Linz tanzen selten flatternde Sylphiden.Max Richter, als erfolgreicher Komponist von Filmmusik bekannt, ist ohne es zu wissen, auch am Titel des Tanzstücks beteiligt. Auch sein erstes Album, vom BBC Symphonie Orchester 2002 eingespielt, trägt den Titel Memoryhouse. Weil Kuźmiński die Bühneninstallation auch an den berühmten Farbholzschnitt Die große Welle von Kanagawa des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai (1760–1849) erinnert, hat er auch traditionelle japanische Musik ausgewählt. Der Stil des dynamischen Suga„Die große Welle von Kanagawa“. Farbholzschnitt von Katsushika Hokusaihe, 1830 / 32. Abzug im Metropolitan Museum of Art in New York City / © gemeinfreigaki, meist für eine Soloflöte gedacht, ist im 17. Jahrhundert entstanden und gilt als Vorläufer der streng geregelte Koto-Musik.
Der polnische Choreograf, geboren 1985, ist freischaffender Choreograf seit 2014 und hat seine Choreografien mit internationalen Compagnien wie dem Scapino Ballet Rotterdam, dem Ensemble am Staatstheater Kassel oder dem polnischen Tanztheater gezeigt. Seine Kreationen sind bereits 300 Mal in 22 Ländern aufgeführt worden und werden als „klar, mit geerdeten, dynamischen Bewegungen“ beschrieben. Mit seinem eigenen Ensemble, der Maciej Kuźmiński Company, hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. Als Autor der Bewegungs- und Kompositionsmethode Dynamic Phrasing unterrichtet er regelmäßig an führenden europäischen Tanzkonservatorien. Mit Tanz Linz arbeitet er zum ersten Mal.  

Maciej Kuźmiński: Memoryhouse. Ein Tanzstück mit Musik von Max Richter, John Luther Adams, Philip Glass, Luigi Nono, Frédéric Chopin und anderen. Sounddesign von Hodei Iriarte Kaperotxipi. Plakat-Sujet für die Aufführung im Sschauspielhaus / Landestheater Linz.
Uraufführung Freitag, 9. Februar 2024, Schauspielhaus, Landesstheater Linz.
Choreografie und Inszenierung Maciej Kuźmiński
Choreografische Mitarbeit: Monika Witkowska; Choreografische Assistenz: Yuko Harada; Bühne und Kostüme: Gabriela Neubauer, Dramaturgie: Paul Bargetto, Roma Janus
Tanz: Elena Sofia Bisci, Matteo Cogliandro, Ilia Dergousoff, Mischa Hall, Yu-Teng Huang, Katharina Illnar, Elisa Lodolini, Angelica Mattiazzi, Pavel Povrazník, Nicole Stroh, Lorenzo Ruta, Arthur Samuel Sicilia, Hinako Taira, Pedro Tayette, Fleur Wijsman
Fotos ©: Philip Brunnader hat am 24. Jänner eine Durchlauf-Probe im Schausielhaus fotografiert. Diese Probe habe ich auch besucht.
Uraufführung: 9.2.2024, Schauspielhaus.
Weitere Vorstellungen: ab 17.2. bis 18.5.2024.