Suche
brut 2021: Onlineprogramm im Jänner
Lockdown verlängert, Grundbedürfnisse nach Tanz, Performance und Theater werden nicht erfüllt. Freitesten heißt jetzt „Eintrittstest“, neuer Name, gleiche Bedingungen. Genaueres weiß man noch nicht. Nomaden sind es gewohnt, neue Rastplätze zu finden. Im brut ist man das Reisen und Suchen nach Aufenthaltsorten durch die erzwungene Ausweisung aus dem Stammhaus tatsächlich seit Jahren gewohnt. Es wird nicht protetiert und gejammert, sondern einfach gespielt, wenn kein Dach vorhanden, keine Tür offen ist, dann sind wir eben online dabei.
Über Zoom öffnen sich die Türen im brut bereits am 7. Jänner: Die allseits beliebte Truppe Nesterval, ausgezeichnet mit dem Corona-Spezialpreis im Rahmen des Nestroy-Preises 2020 für die im Frühjahr 2020 uraufgeführte Online-Performance „der Kreisky-Test“, hat mit ihrem neuen Projekt, „Goodbye Kreisky“, ihre immersiven Theaterformate in Kombination mit Film und digitalem Raum ein großes Stück weiterentwickelt. „In einer Mischung aus Film- und digitalem Live-Erlebnis tauchen Zuschauer*innengruppen à 12 Personen tief in den Kosmos von Nesterval und der Ära Kreisky ein.“ Spieltage und Bedingungen für die Onlineversion, die bis zu 140 Minuten dauern kann, und die Anmeldung: brut-wien.at/ Nesterval
Ab 15. Jänner ist es möglich, vom Lehnstuhl aus Performer*innen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Lau Lukkarila, die ihre Solo „Nyxxx“, inspiriert von der Göttin der Nacht, erst einmal, vor ausgewähltem Publikum im Frühjahr zeigen durfte, gibt nicht auf und tanzt zu elektronischer Musik und geheimnisvoller Lichtregie am 15. Jänner 2021 im Onlinevideo.
Im Programm wird das so beschrieben: „Verstohlene Tänze, elektronische Musik, Licht und Videosequenzen verdichten sich zu einer postromantischen Dämmerung mit sentimentalen Choreografien und absurden Live-Acts, deren Zusammenspiel eine erregend-gruselige Atmosphäre erzeugt.“
Nach der Vorstellung ist auch ein Gespräch mit der Künstlerin zu sehen / zu hören. Anmeldung / Lukkarila.
Danach, am 16. Jänner 2021, wird Premiere gefeiert, online natürlich mit Alexander Franz Zehetbauer und Christian Schröder und dem Soundexperiment „AyH“. Der Titel bezieht sich auf das Werk und die Arbeitsweise der schwedischen Malerin und Mystikerin Hilma af Klint.
Das Konzert aus akustischen Gemälden wurde von einer Reihe nicht menschlicher Musiker*innen in Zusammenarbeit mit Alex Franz Zehetbauer und Christian Schröder komponiert. Gemeinsam erzeugen sie Visualisierungen von Klang und zeichnen die Polyfonie als etwas sowohl Flüchtiges als auch durchaus Greifbares. Zwischen scheinbar grundverschiedenen Elementen kristallisiert sich dabei eine Sprache heraus: deutlich, aber unlesbar, als kenne man sie längst – wie ein immer da gewesenes Urgestein.“ (zitiert aus dem brut-Programm). Anmeldung / Zehetbauer.
Tapfer und optimistisch zeigt sich auch Inge Gappmaier, deren Solo „protect..“ schon mehrmals verschoben werden musste und immer noch nicht live gezeigt werden darf. Also wird am 17. Jänner auch mit Gappmaier eine Online Videopremiere gefeiert. Anschließend gibt sie Auskunft über das „hypnotische und spannungsvolle Duett über die Bespiegelung des eigenen Ich in der digitalen Welt."
Noch eine Differenzierung der Performance aus der Programmvorschau: "Im Zentrum von ,protect.‘ stehen die digitale Selbstbeobachtung und die Differenz zwischen Spiegelbild, Virtualität und körperlicher Realität. Inge Gappmaier knüpft inhaltlich an Praktiken der Ich-Konstitution in sozialen Medien, an Filterblasen und deren Algorithmen sowie an Selbstoptimierung in unserer Gesellschaft an. Was passiert mit dem konkreten Körper, wenn der Blick im eigenen Spiegelbild hängen bleibt? ,protect.‘ bringt den Körper als Kontur zwischen Natur und Kultur in seiner Selbstbetrachtung auf die Bühne und stellt Fragen nach Schutzräumen, Kontroll- und Machtstrukturen sowie nach Einsamkeit und Dualität. Das Stück lädt ein, in eine mehrdimensionale Welt von Geometrie, Akkumulation und Intuition einzutauchen.“ Alles klar? Ich meine, schon, auch wenn Inge Gappmaier nicht die erste ist, die sich mit dem Thema „Ich und mein Spiegelbild“ auseinandersetzt.
Anmeldung / Gappmaier.
Am 23. Jänner eröffnen Dana Yahalomi, Leiterin des Performancekollektivs Public Movement in Tel Aviv, und der Philosoph und Soziologe Oliver Marchart eine neue Gesprächsreihe. Die Fragen an die beiden Gäste stellt der deutsche Kurator Florian Malzacher. Er wird mit seinen Gästen diskutieren, wie politisches Theater ein Ort sein kann, an dem radikale Vorstellungskraft und pragmatische Utopien entstehen? Der Titel der Reihe: „Gesellschaftsspiele / The Art of Assembly“ Anmeldung / Malzacher.
Die Reihe Handle with care erlaubt es dem Publikum, Einblick in Probenprozesse zu nehmen. Diesmal findet der Probenbesuch natürlich online statt. Zwei noch nicht vollendete Werke sind am 16. Jänner zu sehen: ein Solo von Julia Müllner und die engagierte Arbeit von Katharina Senk mit Tanja Erhart. Senk und die behinderte Performerin Tanja Erhart, die sich selbst als "chronisch krank" bezeichnet, zeigen einen Pas deux, der eigentlich ein Pas de trois ist. Die zweibeinige Katharina Senke näher sich der dreibeinigen Tanja Erhart an, die ohne ihre Krücken weder stehen noch gehen kann.
„j_e_n_g_a“ nennen die Künstlerinnen ihre Begegnung, das heißt auf Swahili so viel wie „bauen“. Jenga ist auch der Name eines seit gut 30 Jahren beliebten Geschicklichkeitsspiels für zwei oder mehr Spieler*innen. Bei Senk und Erhart spielen auch die Krücken mit, wenn sie an Nähe und Vertrauen bauen. Anmeldung /Handle with care.
brut online: Die Theatertüren öffnen sich im Jänner über Zoom. Nesterval, Lau Lukkarila, Alex Franz Zehetbauer & Christian Schröder, Inge Gappmaer und andere geben ein Lebenszeichen. Ab 7. Jänner 2021, unterschiedliche Beginnzeiten. Anmeldung auf brut-wien.at
Fotos: Natali Glisic, Franzi Kreis, Lorenz Tröbinger