Heidi Emfried: „Des Träumers Verderben“, Krimi
Ein Mann sitzt in der Tiefgarage des Wiener Hotels Papaya regungslos in seinem Luxuswagen. Es ist Mathieu Rassling, Mitglied der bekannten Unternehmerfamilie, und er ist tot. Die Frage, die sich Inspektor Leo Lang und sein Team stellen müssen: „Natürlicher Tod oder Mord?“. „Des Träumers Verderben“ ist ein locker geschriebener Krimi nach dem „Wer hat’s getan?“-Konzept. Emfried lässt die Leserinnen zum zweiten Mal zuschauen, wie Lang und das Wiener Team ihre Routinearbeit verrichten.
Mit ihrem ersten Roman „Die Akte Kalkutta“ hat sich Heidi Emfried nach ihrer Pensionierung „einen Jugendtraum erfüllt“, teilt der Verlag mit. Wichtiger ist vermutlich, dass sie Leser*innen und Kritiker*innen begeistern konnte. Die Geschichte, in deren Zentrum der Organhandel steht, hat gesellschaftliche Relevanz und ist auch flüssig und spannend erzählt.
In der Kurzfassung des Verlags klingt es so: „Die ungeheuerliche Wahrheit, die hier ans Licht kommt, bringt die Wiener Polizei an ihre Grenzen“. Auch im zweiten Roman scheinen dem Lektorat die Grenzen der Wiener Kriminalisten eng gesteckt: „Die Wahrheit, die Lang mit seinem Team schließlich ans Licht bringt, zeigt ihm die Grenzen seines Wirkens auf“, heißt es über „Der Träumers Verderben“. Auch der Romantitel klingt nicht gerade geschmiert und ist auch nicht knusprig und (lese-)appetitanregend.
Trotz einer langen Liste an Verdächtigen – Familie, Firmenangestellte, Ex-Ehefrau und Geliebte des Toten, samt deren Angehörigen – bietet der Krimi wenig mehr als gut geschriebene Gebrauchsware. Leo Lang ist ein sympathischer Chef, was er täglich anzieht und an den Augustabenden zu sich nimmt, ist mir eigentlich schnuppe. Vor allem soll ihm seine Gefährtin Helene, eine Modedesignerin, keinen echten Büffelmozzarella mehr servieren, oder ihm dazu sagen, wie die Büffel auf den Farmen in Süditalien gehalten werden. Da vergeht ihm der Appetit ganz sicher.
Ein wenig frischen Wind in die Gruppe bringt die gegen Ende des ersten Drittels in Springerstiefeln einmarschierende Soziologiestudentin Alithia Podiwinsky, die dem durch Krankheit und Urlaub dezimierten Team als Praktikantin zugeteilt ist. Sie schreibt an ihrer Masterarbeit in „Gender Studies“ und ist dementsprechend allergisch auf die abgeschmackten Witze von Ermittler Helmut Nowotny. Es dauert ziemlich lange, bis sich die Gruppe, einschließlich Nowotny, mit ihr anfreunden kann. Sie ist die interessanteste Figur in diesem Einheitskrimi, während die anderen, Ermittler wie Verdächtige, schattenhaft blass bleiben. Der Roman spielt zwar in Wien, doch bleibt auch die Stadt ein Schemen, erkennbare Bezugspunkte fehlen nahezu gänzlich wie auch die gesellschaftspolitische Brisanz, die „Die Akte Kalkutta“ ausgezeichnet hat.
Nach einem Erfolg ein zweites literarisches Werk nachzuschieben, ist immer ein Risiko. Meistens kommt dieses zweite Kind viel zu früh auf die Welt, es fehlt auch oft die innere Notwendigkeit, die eine Autorin / einen Autor antreibt, eine Geschichte zu erzählen. Als nette Unterhaltung zur Verkürzung der Wartezeit bis Leo Lang auch im nächsten Fall an seine Grenzen gerät, mag „Des Träumers Verderben“ durchgehen, auf mehr darf gehofft werden.
Heidi Emfried: „Des Träumers Verderben“, Anton Pustet, 2020. 336 S. € 19,95.