Christine de Grancy: Theaterfotografie
Zum 80 Geburtstag der Fotografin Christine de Grancy widmet ihr das Theatermuseum in Wien eine Ausstellung ihrer im Burgtheater entstandenen Fotos. 400 Bilder legendärer Produktionen aus der Direktionszeit von Achim Benning (1976–1986) hat die Künstlerin ausgewählt und in 14 Kapiteln zusammengefasst. Eine Zeitreise zurück in die Jahre als Čechov, Gorkij und Turgenjew en vogue waren und Birkenwäldchen die Bühne dekorierten.
Ihre ersten Erfahrungen als Theaterfotografin machte de Grancy 1979 bei der Inszenierung Bennings von Maxim Gorkis Theaterstück „Sommergäste“. Burgtheaterdirektor Benning führte auch Regie und suchte nach neuen Darstellungsmöglichkeiten der flüchtigen Theaterarbeit. Dass Erika Pluhar die junge Fotografin, deren Arbeiten sie schätzte, zu den Proben im Kasino am Schwarzenbergplatz mitgenommen hat, erwies sich als Glücksfall. Benning erinnert sich, dass de Grancy fast täglich zu den Proben kam und eines Tages zu fotografieren begann:
Nicht verschämt von irgendeiner unauffälligen festen Position aus, sondern sich frei bewegend, auch in der Szene, und keine intime Nähe scheuend.
Dass die sich so ungeniert mitten unter den Darsteller:innen bewegte und auf den Auslöser drückte, war damals und ist auch heute noch ein, wie es neuerdings so englisch heißt, ein „No-Go“. Doch, wie Benning weitererzählt,
ein Wunder ereignete sich. Mit sicherem Bühneninstinkt, mit dramaturgischem Verständnis, mit respektvoller und behutsamer Annäherung an die Schauspieler in der Szene nahm Christine phantasievoll miterlebend und ohne voyeuristische Aufdringlichkeit teil an der Schaffung einer neuen Welt, die sich aus alten Zeiten nährt. Die Genauigkeit, mit der Christine de Grancy das Menschsein beobachtete – so hat sie selber ihre Arbeitsweise beschrieben – hat sie befähigt, solche Augenblicke aus dem Strom der Zeit zu reißen, von denen Schiller gesagt hat, sie seien so kostbar wie das Leben eines Menschen.
Bennings „Anmerkungen zu Christine de Grancy“ sind im Fotoband, der zur Ausstellung erschienen ist, samt vieler anderer Aufsätze und Essays nachzulesen.
De Grancy arbeitete bis zum Ende der Ära Benning am Burgtheater, auf der Bühne und auch dahinter, hält Gesichter, Mimik, Gesten, Körperhaltung und auch Gefühlsausdruck und sogar -ausbrüche fest, sie bewahrt Augenblicke, die nie wieder erlebt werden können. Natürlich ist der Gang durch die beiden Räume im Erdgeschoß, in deren Mitte schwebende Fotografien an das Ephemere der Bühnenkunst erinnern, auch eine Begegnung mit dem Ensemble der Burg in den 1970er Jahren. Nicht für alle Besucher ist es eine Wiederbegegnung. Doch heißt es, dass Namen Schall und Rauch sind, Eindruck machen die Fotografien von Christine de Grancy auch ohne, dass die Betrachterin weiß, wie der Mime / die Mimin geheißen hat und vor allem, wie sehr sie alle an ihrem Theater, der Burg, akklamiert worden sind. Für Nostalgiker:innen aber ist im reichhaltigen Fotoband jede in Ausschnitten abgebildete Aufführung mit sämtlichen Mitwirkenden und dem Premierendatum aufgelistet.
Christine de Grancy: „Sturm und Spiel. Theaterphotographie“, bis 7.11.2022, täglich außer Dienstag 10–18 Uhr, Theatermuseum.
Publikation: „Sturm und Spiel. Die Theaterphotographie der Christine de Grancy“, Gesamtkonzept und Herausgeberin Mercedes Echerer, Theaterphotographien und Essays: Hardcover, Verein Die 2. 224 Seiten. € 38,00. Erhältlich im Museumsshop.
Fotos: © Chrisitne de Grancy.