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Sara Lanner zeigt „Mining Minds“ im brut

Sara Lanner in "Mother Tongue", 2020. © Stanislaus Kernjak

Aus der Dunkelheit kriecht ein Wesen, nur die Kupferplatte, die es als Panzer trägt, leuchtet, knistert und knallt bei jeder Bewegung. Die am Boden robbende Person bleibt nicht allein, eine zweite löst sich aus dem Höhlenhintergrund, und bald entsteht eine Beziehungen zwischen Frau und Mann.

Sara Lanner, Cosas Kekis, zwei Körper, die aufeinander angewiesen sind. Mit „Mining Minds“ graben Sara Lanner und Costas Kekis nach ihren Ressourcen, suchen herauszufinden, wie man mit den unvermeidlichen Abhängigkeiten umgeht und wie mit der Freiheit.
Mit dem Bergbau, dem Schürfen, Abbauen, Extrahieren, beschäftigt sich Sara Lanner schon seit mehr als zwei Jahren. 2019 war sie zum OPEN-International Performance Art Festival nach China eingeladen. Ihr Auftritt fand auf einer kleinen Insel statt, die von Fischern bewohnt ist. Auf einer Seite. Am anderen Ende der Insel entstand ein Teil der längsten Brücke, die über Wasser und unter Wasser zwischen Macau und Hongkong gebaut worden ist. Diese Diskrepanz zwischen dem friedlichen Leben und Arbeiten der Fischer und der hektischen Bautätigkeit für die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke, die verbindet, aber auch zerstört, hat Lanner fasziniert.
Im Lauf ihrer Recherchen ist ihr bewusst geworden, dass es auch in zwischenmenschlichen Beziehungen um das Graben und Extrahieren von Informationen geht. In Beziehungen gilt es, die Balance zu halten (Lanner, Kekis).
Immer wieder lehnen die beiden Körper aneinander, sie werden zu einer Einheit, die nur funktioniert, wenn sie einander stützen. Lässt sie / er nach, zerfällt das System. Dieses gemeinsame Finden einer Balance, in der auch die Eigenständigkeit erhalten bleibt, ist schwierig. Oft arbeiten Lanner und Kekis nur mit dem Atem, der Brustkorb wird zum Zentrum des Austausches. Sara Lanner hat nach ihrer Tanzausbildung an der Anton-Bruckner-Universität in Linz in Wien auch bildende Kunst studiert. So ist die Bühne ihrer Performances nicht mit Dekorationsobjekten bestückt, sondern mit Mitspielern. Kupferplatten und -drähte erinnern an den Bergbau, Schaumstoffstücke, bedeckt mit gleißenden Folien, dienen als schwankender Untergrund, um die Unsicherheit der Beziehungen zu visualisieren, von der Decke wie Stalaktiten hängende Drähte erinnern an das Arbeiten in dunklen Höhlen. Gemeinsam mit Bruno Pocheron hat sie auch das Raumkonzept mit dem wichtigen Lichtdesign erstellt. Die Kostüme für Lanner und Kekis hat Hanna Hollmann entworfen. Bildende Kunst ist bei Sara Lanner gleichwertig mit der darstellenden.
In der Performance verweist Lanner mit Kekis immer wieder auf den Ausgangspunkt ihrer Arbeit, den Bergbau, Segen und Fluch zugleich. Erinnerungen an Protestbewegungen der geschundenen Bergleute sind in den Haltungen des Paares zu sehen. „Der Bergbau ist für mich eine Metapher, doch er ist auch sehr konkret vorhanden“, sagt die Künstlerin im Interview. Unterstützung oder Zerstörung, Stärke zeigen oder unterstützen? (Kekis, Lanner).Vor allem die Objekte auf der Bühne, Drähte, Steine, Folien, kleine Stücke aus Kupfer, ein faltbarer Paravent, der zu einem Unterschlupf wird, verweisen deutlich auf den Bergbau. „Bühnenbild“ will sie die Installation nicht nennen, es sind „performative Objekte“.
2020 ist die 1991 in Hallein (wo eines der ältesten Salzbergwerke besteht und heute als Schaubergwerk für Besucher:innen dient) geborene Künstlerin mit dem Ö1-Publikumspreis im Rahmen der Ö1-Talentebörse im Leopold Museum, wo sie auch ihre prämierte Performance „Mother Tongue“ präsentiert hat, ausgezeichnet worden. In diesem Jahr hat sie den H13 Niederoesterreich Preis für Performance erhalten. Das prämierte Projekt, „Mine“, ist im Kunstraum Niederösterreich (1010, Herrengasse 13) Anfang September dem Publikum vorgestellt worden. „Das Thema ist so tiefgreifend und vielfältig, dass es mich lange Zeit beschäftigt hat und ich es in mehreren Varianten behandle.“ Sara Lanner und Costas Kekis loten in der Probe ihre Möglichkeiten aus. Schon vor Ausbruch der Pandemie hat sie daran gearbeitet, erst am 14. Oktober kann die Premiere im brut nordwest stattfinden. Zwei Körper, eine Installation im Raum mit Licht, machen Mining in der Ursprungsbedeutung, als Bergbauarbeit, und auch im übertragenen Sinn, wenn Informationen von Körper zu Körper, als Aktion und Reaktion in menschlichen Beziehungen, ausgetauscht werden, lebendig. „Ich möchte, dass ein Raum entsteht, in den man hineinfallen kann“, sagt Sara Lanner, „doch ich möchte nicht kritisieren oder anklagen, ich zeige.“ Die Gedanken dazu macht sich das Publikum selbst.

„Mining Minds“, Künstlerische Leitung Sara Lanner. Choreografie, Performance Costas Kekis, Sara Lanner. Lichtdesign und Raumkonzept Bruno Pocheron Sound Peter Plos. Kostüm Hanna Hollmann. Dramaturgie, Beratung Gabrielle Cram. Performative Objekte und Raumkonzept Sara Lanner.
14. bis 17. Oktober 2021, 20 Uhr, brut nordwest.
Fotos © Elsa Ozakaki