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Eno Peçi lässt den letzten Zaren Walzer tanzen

Eno Peçi, Tänzer und Choreograf © Ashley Taylor

Am 5. Juli kommt der Tsar aller Reussen in die Schweiz. Mit dem gesamten Hofstaat und der Familie reist er an, der bärtige Rasputin darf auch mitkommen. Er wird den großen Ball im Theaterturm auf dem Julierpass eröffnen. Die Choreografie stammt von Eno Peçi, Solotänzer des Wiener Staatsballetts. Mit seiner Ball-Choreografie wird das alljährliche Tanz- und Theaterfestival in Riom eröffnet, zu dem auch nahezu das gesamte Wiener Staatsballett angereist ist.

Der Julierturm, Theater- und Tanzraum, perfekt in die Landschaft gefügt. Vor 115 Jahren hat Nikolaus II., der letzte Zar, zu dem legendären Ball in den Winterpalast geladen. Vier Jahre später musste er abdanken, im Juli 1918 wurde er samt seiner Familie von den Bolschewiki in Jekaterinburg ermordet. Daran und an das Herrschergeschlecht der Romanows erinnert das aktuelle Fest im großartigen Theaterbau auf dem Julierpass, dem Julierturm, das Eno Peçi mit seiner Choreografie krönt.

„Der letzte Ball“, vielleicht auch "Der Zarewitsch" nennt Peçi seine neueste Choreografie, die auch russische Walzer enthält. Nicht nur Nikolaus II., "der viel zu jung war, als er seine Herrschaft antreten musste, er hatte keine Wahl“ sagt Peçi, sondern auch sein kranker Sohn, Zarewitsch Alexei, steht im Mittelpunkt. Er war erst 14 Jahre alt, als er sterben musste. Getanzt wird nicht nur auf der schwebenden Bühne des von Giovanni Netzer, dem Intendanten des Origen-Festivals in und um Riom entworfenen Julierturms, sondern auf allen Ebenen. Die Ballbesucher, gekleidet wie einst am Zarenhof oder als Revolutionäre, wandern durch die Hierarchien. Im Erdgeschoss wird hartes  Kristian Achberger im Julierturm 2017 © Bowie VerschuurenBrot ausgegeben, auf der Dachterrasse Champagner gekühlt. „Der letzte Ball“ ist eine zeitlose Parabel über Macht und Ausbeutung, Revolution und Rache, Tradition und Dekadenz, Kunst und Krieg. Der Zarewitsch trinkt Honigschokolade mit Morphiumsubstrat. Derweil erobern Revolutionäre den Palast und ermorden die Wachen. Der Kriegsrat tagt im Weinkeller und beschließt den Sturz der Herrschaft der Romanows. Zar Nikolaus II.  mit Tsaritsa im Zaren-Kostüm aus dem 17. Jh. © Alixof Hesse / pinterest

„Die Rollen sind nicht genau definiert“, sagt Peçi, „es sind eher Metaphern, für alles, was wir mit der Glanzzeit Russlands und auch der Unterdrückung und Ausbeutung verbinden. Und eine Erinnerung an die Zeiten des Umbruchs.“ Kein Grund zur Aufregung also, auch wenn das diesjährige Festival ganz dieser Erinnerung gewidmet ist.

Die Besetzung des Tanztheaters um den letzten Ball ist exklusiv: Jakob Feyferlik verkörpert Rasputin, Andrey Teterin den Zaren. Auch die Compagnie-Mitglieder des Wiener Staatsballets Nikisha Fogo, Fiona McGee, Mila Schmidt, Madison Young und Arne Vandervelde reisen sofort nach der Nurejew Gala zum Abschluss der Wiener Ballettsaison ins Engadin.

Eno Peçi ist kein Neuling in Riom, sondern mit seinen Kolleginnen und Kollegen treuer Gast des exquisiten Schweizer Festivals, als Choreograf wie als Tänzer.

Die drei jungen Tänzer (Achberger, Weithas, Magalott) in  in Riom 2017 © Bowie VerschuurenSo lässt er heuer auch im Chinesischen Café tanzen, das im Garten der Villa Carisch in Riom die Gäste mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Das „Café Chinois“ haben zwei Schweizer Emigranten aus Davos, Branger und Wolf, am noblen Nevskij-Prospekt eröffnet und sich „Wolf und Béranger“ genannt. Die Haute Volée traf sich dort und auch Peter Tschaikowsky war gern gesehener Gast. Zur Erinnerung hat Peçi eine Miniatur für drei Tänzer choreografiert. Kristian Achberger aus Bratislava und die beiden Absolventen der Ballettakademie der Wiener Staatsoper, Matteo Magalotti aus Rimini und Robert Weithas aus Innsbruck werden dieses „Stück Emigrationsgeschichte, in eine charmante Miniatur verpackt“ während des gesamten Festivals jeden Nachmittag aufführen.

Man merkt schon, die „Nova Fundaziun Origen“ erweitert ständig die Palette der Origen-Spielorte, nicht nur im Sommer wird getanzt, musiziert, gemimt und ausgestellt, viele Orte eignen sich auch als Winterspielplatz. Bevor ich mich da oben in Graubünden verirre, lasse ich das Origen-Team selbst sprechen: „Origen erkundet extreme Landschaften und errichtet temporäre Bauten, die die umliegende Landschaft als Kulisse und Darsteller nutzt. Obwohl die Spielorte jährlich variieren, hat Origen zwei Stammhäuser in seiner Heimat Riom. Auf die Bühne des Julierturms geschaut. ©  Christian BrandstaetterDie mittelalterliche Burg in Riom, den neu gebauten Julierturm und die Clavadeira des Monsieur Carisch.“ Auf den roten Julierturm ist man besonders stolz: „Das Juliertheater verbindet Natur und Kultur auf einzigartige Weise: Weitab von allen hermetisch abgeriegelten Theaterbauten der Städte öffnet sich der Bau dem unmittelbaren Einwirken der Natur. Der Julierturm ist filigran in Holz konstruiert und wirkt durch die vielen Öffnungen transparent. Die obere Plattform kann als Veranstaltungsraum oder als Foyer genutzt werden. Die Zuschauerränge umfassen die zentrale Spielfläche und lenken den Blick des Besuchers immer auch hinaus in die Weite der Landschaft.“ Logo des Origen Festival Cultural © OrigenNach drei Spielzeiten muss er wieder entfernt werden. Für diesen und sämtliche anderen Bauten und Erneuerungen wurde die Kulturstiftung Origen heuer mit dem begehrten Schweizer Wakkerpreis für beispielhaften Ortsbild- und Landschaftsschutz ausgezeichnet.

Eno Peçi, als sensibler Solotänzer eine Stütze des Wiener Staatsballetts, erfolgreicher Choreograf und Kulturbotschafter seiner Heimat Albanien, muss in Wien nicht vorgestellt werden. Wer dennoch mehr wissen will, kann hier weiterlesen.

Eno Peçi choreografiert die Eröffnung des Origen-Festival Cultural 2018: „Der letzte Walzer“, mit dem Wiener Staatsballett im Juliertheater, 5. Juli 2018.
Origen Festival Cultural 2018 mit Tanz, Theater, Konzert bis 18. August, 2018 in Riom, auf dem Julierpass, im Engadin und vielen anderen Tälern Graubündens.