Tanz Company Gervasi: „conseQUENCE“
Drei Tänzerinnen, ein Tänzer, 7000 durchsichtige Wasserflaschen liefern sich in der Aula der Akademie der Bildenden Künste ein Gefecht. Die Flaschen, zu unterschiedlich großen Quadern gebündelt, verstellen die Wege, behindern die Bewegungen, irritieren die Sicht. Die Tänzer_innen verschieben sie, ordnen sie neu, versuchen sich im Labyrinth ihren Platz zu erobern. Auch in der dritten bestens besuchten Vorstellung von „conseQUENCE“, war der Applaus in der Aula der Akademie der Bildenden Künste begeisternd.
Anfangs nehmen die blauschimmernden Flaschen als scheinbar unverrückbare Dekoration die Mitte der Bühne ein. In der von Säulen an den Längsseiten begrenzten Aula sitzen die Zuschauer_innen im Viereck, nicht alle haben die gleiche Perspektive. Nacheinander treten die Tänzer_innen auf, suchen sich ihren Platz, bewegen sich um den Kubus und beginnen ihn auseinanderzu nehmen, die Teile zu verschieben, wie es ihnen gefällt. Ihre Bewegungen beschränken sich auf Arme und Oberkörper, die Beine Füße sind oft gar nicht zu sehen.
Der harte, kalte Steinboden wird durch dicke Gummisohlen abgefedert, bietet Möglichkeiten zu gleiten und sich schnell in Art einer Pirouette zu drehen.
In immer neue Konstellationen ordnet das Quartett die sperrigen Dekorationen. Sie bewegen sich meist als Solistinne, Kommunikation ist kaum möglich, für die raren Duette ist zu wenig Platz. Jede Verschiebung bringt neue Herausforderungen, öffnet neue Perspektiven, schließt die schon gewohnten.
Die drei Tänzerinnen ( Hannah Timbrell, Anni Kaila, Katharina Illnar) und der Tänzer (Dominik Feistmantl) sind mit vollem Einsatz und auch ihren eigenen Ideen (bei den Proben erarbeitet) dabei und bieten, kaum gestützt vom angenehm leisen Sound (Windgeräusche, Wasserglucksen, Meeresbrandung) im Hintergrund eine schöne Performance. Die Behinderung durch die Bühnenmöblage bietet vor allem durch das plötzliche Verschwinden der Einzelnen (manchmal, je nachdem, wo man gerade sitzt) auch aller immer neue Eindrücke. Die Flaschenpakete werden zu Türmen geschichtet, übergroß ragen sie in Höhe, geben breitere Passagen frei, verengen die Sicht der Zuschauer.
Was man zu sehen hat, ist nicht vorgeben. Ich sehe eine immer dichter möblierte Stadt, in der man sich kaum noch bewegen kann, die dem Menschen unfreundlich gegenübersteht. Doch der junge Mann neben mir sah das Meer und den Strand, möglicherweise inspiriert durch das blaue Licht das die Flaschen ausstrahlen. Er hat weniger an Einengung als an Freiheit gedacht. Auch materiell, durch die Sitzanordnung im Viereck, zeigte die Performance, dass die Sichtweisen jeder Einzelnen unterschiedlich sind.
Den Programmzettel mag ich nicht widergeben, aber ein Satz soll zeigen, was Gervasi, dem künstlerischen Leiter und Choreografen des Projekts, das in langer Entwicklungszeit, mit Voraufführungen an unterschiedlichen Orten, gut durchgearbeitet worden ist, vorgeschwebt ist: „“Die Tanz Company Gervasi reagiert auf das unabsehbare Verhältnis zwischen Mensch und industriell geprägter Umwelt in einem Modellversuch. … Körper und Objekte behaupten ihre eigenen auratischen Räume …“.
Wie auch immer, auratisch (zur Aura gehörend) ist jedenfalls die Aula der Akademie der Bildenden Künste, die durch die irisierenden 1,5 L Flaschen tastsächlich etwas Magisches ausstrahlt. Was die manieristische Schreibweise des Titels, „conseQUENCE“, aussagen soll, bleibt mir verborgen.
Wie schon erwähnt: Das Publikum war von der guten (Achtung: doppeldeutig) Stunde einhellig begeistert.
Tanz Company Gervasi: „conseQUENCE“, Musik: Albert Costello, Bühnenbild: Walter Esposito, Elio Gervasi; Licht: Markus Schwarz. Premiere am 25.11. 2016, Aula der Akademie der Bildenden Künste. Gesehen am 27.11.
Eine Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste und ImPulsTanz.
„In the Wind“, ein Solo von Anni Kaila, in der Choreografie von Elio Gervasi und Anni Kaila, wird am 2. Und 3. Dezember 2016 im Raum 33, Laxenburgerstraße 32, 1100 Wien um 19.30 Uhr gezeigt. In der freien Spende ist das Buffet inkludiert.