José Montalvo: „Y Olé!“, Festspielhaus St. Pölten
In seinem jüngsten Stück mischt der in Frankreich aufgewachsene spanischstämmige Choreograf José Montalvo wie gewohnt, sämtliche Genres und Stile des Tanzes und der Musik und lässt das Geschehen auf der Bühne in die subtilen Videobilder im Hintergrund übergehen. „Y Olé!“, das sagt schon der auch für nicht Spanischsprechende fröhlich klingende Titel, ist ein beschwingter zweiteiliger Abend, der mit Igor Strawinskys berühmt-berüchtigter Musik „Le Sacre du Printemps“ beginnt und mit dem Ende am verschneiten Strand das Publikum im Festspielhaus St. Pölten zu Jubelschreien und Beifallsstürmen hinreißt.
Wie Musik und Tanz hat Montalvo auch sein Ensemble bunt gemischt. Vier Flamenco Sänger-Tänzerinnen und ein ebensolcher Sänger (aus Cordoba und Sevilla) vereinen sich mit Ballerinen, Hop-Hop- und Afro-Tänzern zu einem Fest, mit dem Montalvo, wie er erzählt, in seine Kindheit zurückkehrt, als der Vater, nachdem die Familie ihre vom Franco-Regime unterdrückte Heimat verlassen hat, in Süd-Frankreich aufgenommen worden ist und Flamenco-Feste veranstaltet hat. Die Mutter José Montalvos war Flamencotänzern, er selbst, geboren 1954, hat in der Nachfolge seines Vaters zuerst Architektur studiert, bevor er das Erbe der Mutter angenommen und sich dem Tanz und der Choreografie zugewandt hat.
Im ersten Teil des zweiteiligen Abends frappiert Montalvo mit einer Neudeutung des „Frühlingsopfers“, das er zum Frühlingsfest uminterpretiert hat. Zum ostinaten Polyrhythmus von Strawinskys Komposition (Instrumentierung von Myung-Whun Chung, der das Orchestre philharmonique de Radio France dirigiert, Aufnahme von 2007) gesellen sich die hämmernden Plateaus der Flamenco-Tänzerinnen, verschmelzen zu einer Einheit, verheiratet sich der Zapateado mit den Rhythmen aus dem Konzertsaal. Wie ein Sturm im Frühling werden die Männer gegen die Frauen geworfen, die Tänzer auf den Kopf gestellt und die Purzelbäume und Saltos geschlagen. Die Kostüme (Rose-Marie Melka) sind in Farben von Frühlingsblumen, für Männer und Frauen gleich. An der hinteren Bühnenwand wächst im Video ein Kirschbaum, der sich allmählich in Blüten hüllt, die n einer Wolke zur Erde (oder in den Himmel, der Baum wächst nach unten, auf die Tänzer_innen zu) rieseln. Zu schade, dass dieser erste Teil nicht länger dauert.
Im zweiten Teil werden alte Hits (etwa Louis Armstrong: „What a wonderful world!“oder Doris Days „Dream a little dream of me“) mit Folklore und dem Cante des Flamenco (Fran Espinosa), Live-Gesang mit Konserven-Einspielungen, Tanz sämtlicher Stile mit Pantomime gemischt. Das weibliche Flamenco-Quartett (wie sämtliche Mitglieder des schillernden und wunderbar zusammenarbeitenden Ensembles, perfekt, voll Energie und Tanzfreude) bietet mit geschürzten Röcken eine Kastagnetten-Einlage – ungestampft, eine Erholung.
Seit seinen Anfängen arbeitet Montalvo mit Bildern und Videos, die er feinsinnig mit der Live-Action auf der Bühne kombiniert. Schon mit „Paradis“ (1997) hat er das (in Wien und St. Pölten gezeigt) gezeigt. Auch für „Y Olé“ lässt er symbolträchtige Bilder malen, in denen Himmel und Erde, Wasser und Sand verschmelzen. Boote schaukeln, Flocken fallen, ein gelber Hund bellt fremde Gesichter an. Schließlich füllt sich das Boot, real auf die Bühne geschoben, mit Menschen verschiedenster Herkunft und Temperamente (dem Ensemble).
Damit die Welt nicht gar zu heil scheint, setzt Montalvo noch ein Schlussvideo drauf: Das Boot ist voll Müll, der sich darauf drehende blaue Planet ist eingedrückt, wie ein Gummiball, dem die Luft ausgeht.
Was das Publikum nicht hindert in frenetisches Gejauchze auszubrechen und eine Zugabe zu erzwingen. Doch in diesen allgemeinen Jubel mag ich nicht einstimmen, zu willkürlich und ungeordnet scheint mir dieser (längere) zweite Teil, die ungewohnten Flamenco-Rhythmen, das Hämmern, Stampfen und Klatschen lässt keinen Fluss der Bewegungen zu, die purzelnden Breakdancer, langweilen bald und ich konzentriere mich nur noch auf die pastellfarbenen, auch tiefsinnigen Bilder der Videoeinspielungen. Zwar verstehe ich schon, was Montalvo in jedem Interview betont – „Die Welt ist bunt, so ist auch mein Tanz.“ –, dass dieses für ihn festliche Treiben auch sein bestes Stück ist, wie er sagt, kann ich nicht glauben. Sein „intimstes“ möglicherweise. Doch das kann nur er selbst beurteilen.
José Montalvo: „Y Olé“, 26.11. 2016, Festspielhaus St. Pölten.