ImPulsTanz, Th. Granato: „Treasured in the Dark“
Im Dunklen präsentiert der großartige Tänzer aus Brasilien, Thiago Granato, sein erstes Solo in der Serie [8:tension] im Rahmen des ImPulsTanz Festivals im Schauspielhaus. Durch die Zusammenarbeit mit Jefta van Dinther, Mathilde Monnier oder Xavier Le Roy hat er bereits Bekanntheit erlangt. Seine im Dunklen horteten Schätze wurden begeistert empfangen.
Mit dem wunderbaren Tänzer-Choreografen Jefta van Dinther ist Thiago Granato bereits 2013 mit dem Duett „This is concrete“ im Tanzquartier aufgetreten. Auch damals wurde im Zwielicht getanzt, konkret, klar war da kaum etwas. Auch mit „Treasured in the Dark“ bleibt Granato fast unsichtbar, zeigt seine Schätze, tote Objekte, die sich ständig verwandeln, Zitate von lebenden und lange toten (und auch noch nicht existenten) Choreografen, Schatten und eine immer wieder aus dem Nebel aufleuchtende silberne Fahne nicht im hellen Scheinwerferlicht.
Im Gegenteil, Jan Fedinger hat eine gespenstische von schwarz, zu grau und blau wechselndes Lichtinstallation geschaffen, Gérard Kurdian ein ebensolches Sounddesign. Klappernde Schritte, wimmernde Geisterstimmen, Meeresrauschen und heulender Sturm verwandeln das Schauspielhaus in ein Geisterschloss. Mal sind die Gegenstände, eine Kugel, ein dürrer Ast und auch nicht erkennbare Dinge, groß, dann schrumpfen sie wieder zu Winzigkeit, die Granato auf einem Finger balanciert, Schatten huschen vorbei und nach einem Sekundenblackout ist der Tänzer ein ganz anderer.
In weichen Schuhen bewegt sich der 1979 im brasilianischen Santos, mitunter unsichtbar über die Bühne, ist Frau und Mann, Gottheit und Dämon, Superman oder versehrter Mensch.
Der Beginn ist leicht schockierend: Eine Frauenstimme erklingt aus den Boxen und der Tänzer zeigt sein nacktes Hinterteil. Im Programmheft ist zu erfahren, dass er nicht sein Publikum provozieren will, sondern zitiert. Den 1994 verstorbenen brasilianischen Musiker Lennie Dale, der gegen die Militärdiktatur protestiert hat.
Grundlage des Stückes, der erste Teil einer Trilogie – „Choreoversations“ – ist die Begegnung mit Choreografen, aus der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft. Neben Dale wird auch einer der Gründungsväter des japanischen Butoh Hijikata Tatsumi († 1986) zitiert. Auch Butoh wird als Tanz der Finsternis gesehen. Choreoversations soll Diskussionen über Geschichte, Erbe, Autorenschaft, Eigentum, Übersetzung, Vermittlung und Präsenz im zeitgenössischen Tanz fördern.
Das muss man alles nicht wissen, um Granatos Darbietung, konzentriert, als wäre er ganz allein im Raum und doch, ohne einen Blick zu werfen, mit den gut 200 mäuschenstillen Zuschauer_innen in Kontakt, genießen zu können.
Allein im dunklen Kino der Fantasie und Leidenschaft. Mit sichtlicher Freude nahm der auf der Bühne so introvertiert wirkende Tänzer die Ovationen entgegen.
Thiago Granato: „Treasured in the Dark“, [8:tension] im Rahmen von ImPulsTanz, 22. Juli 2016, Schauspielhaus.
Eine zweite Vorstellung findet am 24.Juli im Schauspielhaus statt.