ImPulsTanz, Simon Mayer: „Sons of Sissy“, Spezial
Simon Mayer hat mit seinem Team eine besondere Version für Sehbehinderte des Erfolgsstückes „Sons of Sissy“ erarbeitet. Im Rahmen von ImPulsTanz hat er mit Patric Redl, Matteo Haitzmann und Manuel Wagner das Spezialangebot von „Sons of Sissy“ (für Sehbehinderte und Sehende) im Odeon gezeigt. Wie immer und überall konnte das Quartett auch diesmal das Publikum begeistern.
Was in anderen Städten, wie etwa London oder Paris, im TV so wie so, längst Usus ist – Versionen von Vorstellungen und Filmen mit gesprochen Beschreibungen des Geschehens über Kopfhörer –, muss sich in Österreich erst durchsetzen. Mayer und die Söhne Sissys sind dabei Vorreiter und haben noch eine Zusatzhilfe angeboten. Vor der Vorstellung konnten Gäste die Instrumente betasten, bekamen gesagt, wer die Posaune bläst, wer der Ratschenbub im weiten Rock (Haitzmann) ist und was sonst noch passiert auf der großen Bühne des Odeontheaters.
Die hochgelobte Performance, die am Ende zu einem rasenden Tanz wird und die Tänzer bis an die Grenzen der Erschöpfung (und darüber hinaus) treibt, Tradition und Bräuche neu einordnet, punktet in dieser Spezialaufführung im halligen Raum des Odeon besonderen mit der Lautstärke. Der Tanz muss hörbar sein. Das Stampfen und Strampfen, das Schnalzen mit der langen „Goaßl“, das Platteln, nicht nur auf den Schenkeln und Schuhen, auch auf den Fußsohlen des Partners, Bäuchen und Brustkörben, das Jodeln, Grunzen, Ächzen und Gstanzl-Singen dröhnt durch die Halle. Auf der großen Bühne vor der entsprechenden Zahl an Zuschauer_innen geht auch ein wenig vom feinen Humor und der perfekten Inszenierung samt dem genialen Übergang von Althergebrachtem zu gänzlich Neuem in Bewegung und Musik verloren. Bei der Uraufführung im kleinen brut 2015 war diese Show mehr ein nuancenreiches Kammerspiel.
Hat sich Simon Mayer in seinem Solo „SunBengSitting“ sowohl mit der bäuerlichen Tradition als auch mit dem Machismo (aller Männer) auf überaus delikate und amüsante Weise auseinandergesetzt, so ist bei den „Sons of Sissy“ das Geschlecht gelichgültig. Im Paartanz über nehmen Haitzmann und Redl (einmal ohne seine atmendende Quetschn), charmant die Hände in die Hüften gestemmt, den Mädchenpart; Haitzmann schwingt als Ministrantin das Weihrauchfass, statt der Kirchenglücken läuten die einer ganzen Kuhherde.
Am Ende werden alle vier vom Veitstanz gepackt, nackt springen die Tänzer(-innen?) über die Bühne, rasen im Kreis, bis sie in Trance geraten, kreischen, jodeln, statt Geigen (Mayer, Haitzmann), Knöpferlharmonika (Redl), Bass und Blechgebläse (Wagner) ertönt das Scheppern der Kuhglocken. Chaos bricht aus, eine Orgie wird gefeiert. Sichtbar, hörbar.
Triefender Schweiß auf der Bühne, beglückter Jubel aus den Reihen.
Simon Mayer: „Sons of Sissy“: Idee, Choreografie, Performance, Musik: Simon Mayer, Performance, Musik: Matteo Haitzmann, Patric Redl, Manuel Wagner, Klangkörper und Spezialinstrumente: Hans Tschiritsch, Bühne und Kostüm: Andrea Simeon, Licht: Martin Walitza, Künstlerische Beratung: Frans Poelstra.
Spezielles Angebot für Sehbehinderte, entstanden im Rahmen des EU-Projekts "The Human Body, – Ways of Seeing Dance", gezeigt am 22. Juli 2016 im Odeon, ImPulsTanz Festival.