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Ballett: Rollendebüts am Schwanensee

Bitte nicht schießen: Vandervelde, Avraam, Corps de ballet.

Mehrfache Rollendebüts machten die 258. Aufführung des Balletts Schwanensee zum Ereignis. Vor allem Erste Solotänzerin Ioanna Avraam, Solotänzer Arne Vandervelde und Halbsolist Calogero Failla haben mit ihren Figuren Premiere gefeiert. Auch wenn dem Publikum dieses persönliche Fest verborgen geblieben ist, tost der Applaus durch die Wiener Staatsoper. Er gilt vor allem der neuen Schwanenkönigin Ioanna Avraam und dem einfühlsamen Ballettdirigenten Paul Connelly.

Solotänzer Arne Vandervelde debütiert in der Rolle des Prinzen Siegfried. Vandervelde ist ein edler Prinz Siegfried mit eleganter Haltung und sauberer Beinarbeit. Die kleinen Patzer darf man mangelnder Unterstützung bei der Einstudierung und einem Anflug von Premierenfieber zurechnen. Edle Prinzen zeigen keine Gefühle, gilt doch ohnehin das gesamte Interesse der Schwanenkönigin Odette. Hauchzart und filigran, mit gebrochenen Flügeln erscheint sie vor dem Prinzen, dem der Mund vor Staunen trocken wird. Odette ist nicht wirklich neugierig auf den Menschenmann, weist ihn nahezu grob zurück: „Lass mich in Frieden! Es gibt kein Glück mehr für mich.“ Allmählich allerdings schmelzen Angst und Zurückweisung, halb zieht er sie, halb sinkt sie hin. Noch will sie ihn vom fatalen Schwur abhalten, aber er wähnt sich treu und wahrhaftig, prinzlich eben. Der Prinz und die Schwanenfrau: Arne Vandervelde, Ioanna Avraam. Jetzt ist die Schwanin weich geworden, Avraam kann das Glück tanzen und zeigt ihrem Gefolge, großen und kleinen Schwänen, wie man den Kopf neigt und die Arme in Flügel verwandelt.
Als Odile, die vom Zauberer erschaffene Verführerin, funkelt die Erste Solotänzerin wie ein Diamant, ein schwarzer, ein besonders teurer. Als wäre die Rolle mit einer zweiten Tänzerin besetzt, hat sich Ioanna Avraam verwandelt. Fast kann man verstehen, dass das Muttersöhnchen nicht widerstehen kann. Zu spät sieht er seinen Irrtum ein, flüchtet in Mutters Schoß. Und versinkt im letzten Akt in den Fluten des Sees. Die Wellen gehen ganz ordCalogero Failla: persönliche Premiere als böser Zauberer Rotbart. entlich hoch, Arne Vandervelde stirbt einen schönen Tod.
Der Ordnung halber sei Calogero Failla noch einmal erwähnt. Er hat den Zauberer Rotbart zum ersten Mal interpretiert. Die Musik sagt schon vor jedem seiner raren Auftritte, da kommt das Böse, flattert mit den Drachenflügeln und verschwindet wieder, zum traurigen Schluss, mit der schönen Odette im Arm. Er wird nicht bestraft. Ein Märchen.
Auch viele andere Mitglieder des Wiener Staatsballetts durften sich über ein Rollendebüt freuen. Václav Lamparter fügt sich ins Quartett der Gefährtinnen und Gefährten des Prinzen. Ihm zur Seite Sinthia Liz, die begabte Halbsolistin Gaia Fredianelli ist dem Solotänzer Géraud Wielick zugeteilt. Zuerst schmilzt die Schwanenkönigin und danach schmilzt der Prinz – das Unglück ist nicht aufzuhalten. (Arne Vandervelde, Ioanna Avraam)Der gebürtige Tscheche Václav Lamparter war zuletzt Solotänzer in Dresden, wo er schon 2014 in die Compagnie aufgenommen worden ist. Seit dieser Saison ist er Halbsolist im Staatsballett. Mit Sonia Dvořák hat er den Pas de deux im Polnischen Tanz gezeigt.
Es ist nicht leicht, die Rollendebüts zu erkennen, weil die Meldung als Fußnote irgendwo in winziger Schrift auf dem Programmzettel versteckt ist. Muss man wirklich alles ändern, was einst gut eingeführt war? Des Prinzen Begleiterinnen: Géraud Wielick, Sinthia Liz; Václav Lamparter, Gaia Fredianelli.Zurzeit wird an der Website herumgebastelt, plausible Gründe für dieses Gemurkse gibt es nicht. Immerhin ist das Debüt in einer führenden Rolle eine wichtige Station für jede Tänzerin, warum diese Tatsache wie ein Geheimnis schamhaft verborgen wird, bleibt ein Rätsel.
Also nenne ich jetzt auch Chiara Uderzo und Andrés Garcia Torres als Paar im Ungarischen Tanz. Applaus für Arne Vandervelde und Ioanna Avraam.Leider hat den beiden niemand gesagt, dass sich Csárdás auf Paprika reimt. Lieber hätte ich die Italienerin Alice Firenze als Ungarin gesehen, doch die Rollenbesetzung ist undurchschaubar. Die Solotänzerin muss als kleiner Schwan süß und lieblich sein. Ein Debüt sei noch genannt, François-Eloi Lavignac, Halbsolist seit 2020/21, war im neapolitanischen Tanz der Partner von Céline Janou Weder. Neu waren in dieser Vorstellung auch Ella Persson als Königin, und die Schwäne Laura Cislaghi (eine von den vier großen), und Ella Bogheanu (Jugendkompanie der Ballettakademie).
Ceterum censeo: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es unsinnig ist, die Vorstellungen des Staatsballetts auf zwei Websites zu verteilen. Das Wiener Staatsballett verdient eine eigene Website.

Schwanensee, 258. Aufführung, 5. Oktober 2024
Choreografie und Inszenierung: Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Iwanow. Musik von Peter I. Tschaikowski. Musikalische Leitung: Paul Connelly
Bühne und Kostüme: Luisa Spinatelli; Licht. Marion Hewlett. IHinreißend: Ioanna Avraam funkelt in ihrem Debüt als Odile, die von Rotbart als Trugbild geschaffene Schwanenkönigin.
Prinz Siegfried: Arne Vandervelde, Rollendebüt
Odette / Odile: Ioanna Avraam, Rollendebüt
Ballettakademie und Jugendkompanie der Wiener Staatsoper, Komparserie. Orchester der Wiener Staatsoper. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Die nächste Vorstellung in dieser Besetzung ist am 8.10. 2024.
In den beiden letzten Vorstellung des Balletts Schwanensee in diesem Jahr, am 10. und 14. Oktober 2024, tanzen Olga Esina, Timoor Afshar und Eno Peçi die Hauptrollen.