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Monadologie XVIII „Moving Architecture“

Moving Architecture: Bewegtes Konzert. © Markus Bruckner

Die Uraufführung der Komposition „Moving Architecture“ (Monadologie XVIII) von Bernhard Lang zeigt neue Perspektiven für die Rezeption zeitgenössischer Musik auf. Der außergewöhnlichen Konzertabend, in Zusammenarbeit des Komponisten mit der Choreografin Silke Grabinger und dem österreichischen Ensemble Phace entstanden und im Rahmen des Festivals Wien Modern im Tanzquartier präsentiert worden.

Ein gewöhnliches Konzert ist das nicht. Eher ein Erlebnis in Schwarz und Weiß. Weiß sind die Musiker_innen gekleidet, das Gesicht von einer weißen Binde eingerahmt, die Füsse nackt. Schwarz schimmern die Pulte auf der die doppelte Partitur liegt. Noten und Tanzschrift. In der Mitte sitzen Tänzerin und Tänzer. Sie sind nicht die einzigen, die die Musik in Bewegung umsetzen. Im dunklen betritt Joseph Trafton, der Dirigent, auch er ohne Schuhe doch in schwarz und weiß gehüllt (Kostüme Bianca Fladerer), das schwarze Podest, hebt den Taktstock, die Bassgeigerin entfacht ein Gewitter, Bernhard Langs Monadologie beginnt und ist nicht nur zu hören sondern auch zu sehen.

Nach der Choreografie von Silke Grabinger bewegen sich nicht nur Barbara Vuzem und Matej Kubus, Tänzerin und Tänzer, sondern auch die im Performing erfahrene Sängerin aus New York, Daisy Press, und die Musiker und Musikerinnen von Phace.
Die Choreografie schmiegt sich an die Musik, Arme, Bogenarme, werden gehoben, Hände, Tastenhände, bewegen sich, die Füße, Pedalfüße, tappen und stampfen. Wenn Ruhe einkehrt, Press das Gedicht von Rose Ausländer singt, liegen all die weißen Gestalten entspannt auf dem Boden. Barbara Vuzem tanzt, Phace musiziert. © Markus Bruckner

Tänzerin und Tänzerin haben ihre Solos auf den beiden Podesten neben dem Dirigentensockel, Trafton dirigiert auch die Stille, in der in meinem inneren Ohr die Musik weiter zu hören ist, wie sich auch die Bewegungen fortsetzen, wenn die Musiker_innen wie gewohnt an ihren Instrumenten arbeiten, die Tänzer_innen still sitzen. Ein stetiger Fluss, anschwellend, abschwellend, rau und harmonisch, chaotisch aufbrausend, kehrt er immer wieder zur Ordnung zurück. Musik ist sichtbar, Bewegung hörbar. Sporadisch tanzen im wechselnden Licht die Schemen einer Videografik (Peter Thalhamer) im Hintergrund. Schwarz und Weiß, Chaos und Ordnung, Innen und Außen.

Mit freudiger Energie arbeiten die Mitglieder von Phace an dieser neuartigen Performance mit. Was TänzerInnen öft mangelt, die Musikalität, ist Musiker/innen eingeboren. So sind die Bewgungen stimmig, synchron, beeindruckend. Langs Musik ist keine Tortur für die Ohren, verständlich, nachfühlbar, transparent. Sängerin Daisy Press, Dirigent Joseph Trafton @ Markus BrucknerDaisy Press (wie Dirigent Trafton, vom Komponisten persönlich ausgesucht und gebeten) ist eine großartige Sängerin, gefeierte Interpretin der klssischen Avanggarde-Musik. Mit Sensibilität setzt sie ihre frische Stimme ein, feinst phrasierend, ohne das übliche schrille Gegacker und Gequake modernen Gesangs (Lang schreibt Texte vor, die zwar zerlegt und dekonstruiert sind, aber nachzulesen), im Piano fast hauchend, wie im Forte weich und wohllautend. Eine Freude, sie anzusehen, überdies.

Lang ließ sich für seine Komposition von der Architektur des Austrian Cultural Forums in New York inspirieren, wo das Tanz-Konzert in einem kleinen Raum auch zum ersten Mal aufgeführt worden ist. Daisy Press war auch 2012 schon dabei. Für Wien wurde das Konzept überarbeitet und den neuen Gegebenheiten unter Mitwirkung von Phace angepasst. 
Langs Konzept war es, die Architektur von Raimund Abraham in Zeit und Klangbewegung aufzulösen. Der Gedanke auch eine choreografische Bewegung aufzunehmen, lag nahe.
In der Zusammenarbeit von Grabinger und Lang ist eine enge Verbindung von Klang und Bewegung entstanden, ein Ineinander statt eines Nebeneinanders. Hören und Sehen (auch Fühlen) sind nicht mehr voneinander zu trennen. Tnzerin Vuzem, Musikerin Doris Nicoletti. © Markus Bruckner
Dazu gehört auch die Stille, das Atmen, die kleinen Gesten dazwischen, aufstehen und Niedersetzen, die ruhigen Gesten des Dirigenten und die absolute Dunkelheit nach dem rhythmischen Klopfen der nackten Füße am Schluss. Sekunden des Frieden und der Stille – für einen Moment ist das Grauen draußen ausgeblendet – bevor der Applaus aufbrandet.

Musik ist Bewegung, Bewegung ist Klang. Intensiver hören, besser sehen.

Diese Konzert-Performance eröffnet neue Perspektiven der Aufnahme und des Genusses zeitgenössischer Musik. Eine Chance.

Bernhard Lang + Phace + Silke Grabinger / Silk Cie: Monadologie XVIII „Moving Architecture“, eine Produktion von Phace in Koproduktion mit Tanzquartier Wien und Wien Modern. Uraufführung der Wiener Neufassung am 18.11. 2015, Tanzquartier. Zu hören / sehen auch am 19.11. 2015.