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Surreale Bilder, absurde Szenen

Home Parkour: Juan Jesus Guiraldi, Maja Karolina Franke, Fausto Tenório Circo

Das weiße Haus steht auf Rädern, der Clown legt sich darunter, nimmt sein Schnupftuch als Polster und hält ein Schläfchen. Die Zirkusprinzessin tänzelt vergnügt davor und schenkt der schwarzen Gestalt, die mit einem leuchtenden Auge auf dem Kopf auf dem Boden kriecht, keinerlei Aufmerksamkeit. Alltag mischt sich mit Komik, wenn die Artistin und zwei Artisten Home Parkour von Ákos Hargitay im Dschungel zu neuem Leben erwecken. Tanztheater, das es verdient, aus dem Archiv gehoben zu werden.

Zirkusprinzessin Maja Karolina Franke steigt durchs Fensters ihres kleinen Hauses. Reloaded, neu geladen wird dieser Home Parkour aus dem Jahr 2012. Das kleine Haus mit seinen vier Rädern, das winzige Fenster, aus dem die Tänzerinnen purzeln, der Tisch, der Sessel, alles ist wie neu, nur die Video- und Filmbeiträge, die gab es vor mehr als 20 Jahren noch nicht.
Es könnte übliches Tanztheater sein:  Fausto Tenório Circo radelt aus der kleinen Stube ins Land der verrückten Träume. Zwei Männer (Zirkusartisten und Tänzer und auch Clowns) und eine tanzende Zirkusartistin. Zu wem gehört die zierliche Person? Zum eleganten (Don) Juan, der sich aufgerichtet, die Stirnlampe abgelegt und den Frack angezogen hat? Oder zum fröhlichen, aber eher arbeitsunwilligen Fausto, der sich gerne unter das Haus verkriecht, um seine Ruhe zu haben? Fausto Tenório Circo betrachtet die Welt von unten. Damit er nicht aus dem Lot rutscht, unterstützt ihn Maja Karolina Franke.Üblich, gewöhnlich, so wie immer, ist gar nichts in Home Parkour * Reloaded. Das Fenster ist gar kein Fenster, sondern eine Videowand, der Tisch klebt anfangs an der Hauswand und Fausto hat plötzlich vier Hände und ist fast drei Meter lang. Maja, die Tänzerin, kann fliegen und das Haus dreht sich im Kreis, die knackigen Äpfel rollen von der Hauswand ins Nichts, doch Fausto beißt krachend hinein, lässt auch Juan ein wenig davon kosten. Die drei Performerinnen sind andauernd in Bewegung, oben wird unten, innen ist außen. Das Haus wird zum Turngerät, Fausto lernt fliegen.Die Logik der Szenen ist aufgehoben, kaum glaubt man den Faden einer Geschichte erhascht zu haben, stimmt wieder gar nichts und Fausto liegt schon wieder unter dem Haus. Bilder aus Filmen, Gemälde von Joan Miró, Marc Chagall oder René Magritte tauchen auf, und Dada lauert hinter dem Vorhang, ist bereit einzuspringen, falls die Traumbilder platzen. Immer tiefer zieht das Trio das Publikum in seine absurde, im wahrsten Sinn des Wortes ver-rückte Welt hinein. Eine Welt, die tatsächlich aus den Angeln kippt, was die Menschen in ihr, Akrobatinnen eben, jedoch kaum stört, sie haben gelernt in der Absurdität zu leben.
Achtung! Wenn alles schief liegt, fällt leicht der Kopf herunter. (Juan Jesus Guiraldi, Fausto Tenório Circo, Maja Karoline Franke)Ákos Hargitay hat die Absurdität dieses Daseins, das wir Leben nennen, schon vor 20 Jahren erkannt und ohne Worte davon erzählt, oder besser von Künstlerinnen (damals waren es zwei Tänzerinnen aus Südkorea, die möglicherweise heute zu Hause ihre Kinder hüten und aufpassen, dass die Sessel nicht kippen und das Fenster nicht seinen Zweck vergisst und sich zum Fernsehschirm wandelt) erzählt wird. Ohne Worte. Aber nicht ohne Moral. Die liegt unter dem weißen Haus oder auch auf seinem Dach: Wenn der Sessel am Haus klebt, muss er samt Mann (ohne Maus) durchs Fenster wieder nach innen kommen. (Zusammengefaltet: Juan Jesus Guiraldi) Auch wenn alles schief hängt, die Träume nicht wahr sind und die Äpfel nicht echt, wenn die Welt kopfsteht und die Wolken unten hängen, ist e dennoch unsere Welt, in der sich unser Leben in all seiner Absurdität abspielt.
Und dann, und dann – wenn du kummervoll auf dem Dach deines Hauses sitzt, kommt plötzlich ein junger Mann und überreicht dir eine rote Blume oder die blaue, die für jeden Romantiker für Sehnsucht und Liebe steht. Alles ist gut.

Company Two in One: Home Parkour * Reloaded, Tanz, Performance, Zirkus
Premiere: 24.5.2024, Dschungel Wien.
Konzept und Inszenierung: Ákos Hargitay, Choreografie (in Zusammenarbeit mit den Performerinnen): Ákos Hargitay:
Performance: Maja Karolina Franke, Fausto Tenório Circo, Juan Jesus Guiraldi; Zweitbesetzung, Mitwirkung Tanz und Performance: Andras Déri
Musik und Bühne: Gammon; Mitwirkung Bühne und Requisite: Andreas Pamperl, Fausto Tenório Circo; Kostüme: Norma Fülöp; Licht: Nóra Horváth, Ákos Hargitay; Video-Film: Nóra Horváth; Musik-Beitrag: Simon Frick; Dramaturgie: Michaela Hargitay; Fotos: © Barbara Pálffy
Schulvorstellungen: 27., 28., 29.5. 2024.