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Zoo / Thomas Hauert: “How to proceed”, ImPulsTanz

Verstrickt im bunten Chaos. © Remo Fröhlicher/ Oltener Tanztage

Wie es weitergehen soll, überlegt der Schweizer Choreograf und Tänzer Thomas Hauert und nennt nach 20 Jahren Bühnenpräsenz sein jüngstes Tanztheater: „How to proceed“. Antwort gibt es keine, aber eine wunderbar leichte, witzige Aufführung, deren Sinn und Ziel sich dem Publikum erst nach genauem Hinsehen erschließen. Fröhlich und zufrieden haben die Zuseher:innen am Sonntagabend (27.7.) nach einer entspannenden Stunde das Akademietheater verlassen.

Auch beim großangelegten Fadenabnehmen ist die Ordnung nur scheinbar. Als Hauert, der in Brüssel lebt und arbeitet, 2018 beschlossen hat, mit seinem Team den 20. Geburtstag der Compagnie zu feiern, war der Begriff Pandemie noch bedeutungslos bis unbekannt, sein treues Team, die Tänzer:innen, Sarah Ludi, Samantha Van Wissen, Mat Voorter, Fabian Barba, Liz Kinoshita und Albert Quesada, die alle auch bei der Wiener Aufführung auf der Bühne umhergetollt sind, Lichtdesigner Bert Van Dijck, Bühnen- und Kostümbildner Chevalier Masson und Komponist Mauro Lanza hat mit Energie und Frohsinn sich selbst gefeiert. Mit dem pandemischen Überfall des Covid-19-Virus hat sich die Bedeutung des Abends automatisch gewandelt. „Wie sollen wir weitermachen?“ aber bleibt eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Richtig oder falsch, kann erst post festum festgestellt werden, wenn die Entscheidungen längst getroffen, die Folgen eingetreten sind. Thomas Hauert: Verwickelt im Fadengefängnis.
So bleibt auch in Hauerts und der Compagnie Zoos Spiel alles im Probenstadium, im Überlegen und Experimentieren stecken. Dieses tun die Protagonist:innen, allen voran die wunderbare Samantha Van Wissen, mit  Freude und Energie. Nicht nut dem Publikum macht der bunte Wirrwarr auf der Bühne Vergnügen.
Besonders friedlich geht es bei dieser Probe, die manchmal bereits ein fertiger Aufführungsteil ist, nicht zu. Es wird gerangelt und gebrüllt, ein Stoffballenmatch (Frauen gegen Männer) endet ausgeglichen, doch in Wahrheit ist die Welt aus den Fugen, die bunten Stoffknäuel werden ausgerollt und wieder zusammengeknäuelt, die Stoffstreifen werden zu Kostümen, eine braune Kugel rollt über die Bühne, ein als Igel maskierter Tänzer, er fällt dem Paar in der ersten Reihe in den Schoß, flüchtet schnell wieder auf die Bühne. Unversehens wandelt sich die Bühnenausstattung in Kostüme und die Darsteller:innen werden zu sonderbaren Wesen. (Lnks: Samantha Van Wissen) Die Grenzen sind durchlässig, so genau lässt sich nicht sagen, wann die Probe endet und ein Teil vom geplanten Stück gezeigt wird, nach vor wird kaum geblickt, dort ist auch nichts zu sehen, aber rückwärts darf der Blick gewendet werden, und zum Beatles-Song „Michelle“ von 1965 entfaltet sich ein romantisches Ballett. Es gibt bestenfalls einen bunten Faden, der aus den Stoffstreifen gebildet ist, aber keine Logik, keine erkennbare Handlung, doch großartige Performer:innen und eine strenge Regie. Was wie Improvisation aussieht, ist im Gegensatz zu dem, was vorgespielt wird, perfekt durchgetaktet, sodass sogar die Bewegungsabläufen im Einklang mit den, zum besseren Verständnis, an die Wand geschriebenen, Sätzen sind. Es wird romantisch getanzt und auch wild herumgehüpft. © André Albrecht.
Perfektion gibt es eigentlich nicht, die Welt ist nicht perfekt, nicht harmonisch, und der Mensch beherrscht sie nicht. Doch Thomas Hauert und seine Compagnie Zoo zeigen genau dieses Chaos, diese Disharmonie und Regellosigkeit in höchster Perfektion, kraftvoll und überaus heiter.

ZOO / Thomas Hauert: „How to Proceed”. Konzept, Regie: Thomas Hauert: Von und mit Thomas Hauert, Fabian Barba, Liz Kinoshita, Albert Quesada, Federica Porello, Mat Voorter, Sarah Ludi, Samantha Van Wissen.
Musik: Mauro Lanza; Lichtdesign: Bert Van Dijck; Kostüm: Chevalier-Masson; Bühnenbild: Chevalier-Masson, Van Dijck, ZOO. 25. und 27. Juli, Akademietheater im Rahmen von Impulstanz.
Fotos, wenn nicht anders angegeben:  Bart Grietens.