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Dschungel Wien: „Zeugs“ / „Über Piratinnen“

"Zeugs": Sven Kaschte als Bobby Bär, Patrick Weber als Philomena.

Mit zwei Premieren öffnen sich die beiden Bühnen im Dschungel Wien. „Zeugs“, ein Theaterstück mit einer Tanzeinlage, erfreut schon Sechsjährige, keine Überraschung, ist es doch eine Produktion der Plaisiranstalt. Für 10 + versuchen sich fünf Akrobatinnen als Piratinnen und begreifen, dass Gesetzlosigkeit nicht das geeignete Mittel der Selbstbehauptung sein kann.

„Zeugs“, das ist abgelegtes Spielzeug, das in einer Schachtel vor sich hingammelt und von Neuerem, Glänzenderem ausgestochen worden ist. Der Bär, die Ballerina, die Fee, die stimmlose Sängerin: Sven Kaschte, Steffi Jöris, Sophie Berger, Patrick Weber.Doch im Märchen wird auch dieses alte Zeugs in der Nacht, wenn die Kinder schlafen, lebendig. Der starke Mann, Phil, gibt sich zierlich und piepsig als blonde Sängerin aus, der leider die Stimme abhandengekommen ist; der Kuschelbär ist ein Aufschneiderbär und bindet der Wünschdirwasfee Hildegard einen Bären nach dem anderen auf. Die entzückende rosa Spieldosenballerina fühlt sich benützt, doch bald zu nichts mehr nütz. Die vier schließen Freundschaft und sind Konkurrent:innen, streiten, balgen und versöhnen sich wieder, um am Ende zu erkennen, dass sie gar nicht sein müssen, was vorgeschrieben ist, oder andere vorschreiben. Die Ballerina ohne eine Spieldose. Sie fühlt sich nutzlos. (Steffi Jöris)
Der Bär muss keine unsichtbaren Feinde vernichten, er muss nicht seine Muskeln zeigen, sondern darf zärtlich und kuschelig sein, wenn er das will. Phil darf Philomena sein und Sängerin werden. Wenn’s gelingt, warum nicht? Die Wunschfee muss nicht nur anderer absurdes Begehren stillen, sie darf ihre eigenen Sehnsüchte befriedigen. Nur die Porzellanballerina ist noch auf der Suche, erst wenn sie einen Namen hat, wird sie wissen, was sie will.
Noch wissen sie nicht, was sie wollen: der besondere Bär, die feine Fee, die springende Sängerin. (Sven Kaschte, Sophie Berger, Patrick Weber)Man erkennt bereits, in diesem perfekt gebauten, amüsanten, rasanten Stück, werden auf vergnügliche Weise viele Themen behandelt, die Kinder, ohne dass sie es wirklich formulieren können, beschäftigen. Das Team Paola Aguilera, Regie, und Raoul Biltgen, Text, hat klug und liebevoll gearbeitet und auf eine krampfhafte Mischung von Text, Tanz und vielen anderen Künste verzichtet. Natürlich sind Sven Kaschte als besonderer Bär, Patrick Weber als Phil, der sich als blonde Philomena wohler fühlt, Ein Bär zum Liebhaben, selbst wenn er den starken Bobby mimt. Sven Kaschte zieht alle Register. und Sophie Berger als mit mehreren Zauberstäben ausgestatte Hildegard dauernd in  Bewegung, hüpfen aus ihren Schachteln, kugeln auf dem Boden, schleichen durch die Nacht und rennen im Kreis, doch getanzt wird nur von der Tänzerin im Ensemble, the one and only Steffi Jöris.
 Der Text ist mit allerlei Wortspielen gewürzt und liefert auch für Erwachsene einiges an Komik, die Kinder erfreuen sich am Bühnengeschehen, den bekannt erscheinenden Figuren und natürlich auch am Bärenhintern, wo zu lesen ist, was Bobby, der Besondere, wirklich ist. Piratinnen sind perfekte Akrobatinnen, mutig und furchtlos. Die Bühne, minimalistisch mit weißen Schachteln in unterschiedlichen Größen bestückt, und die bunten Kostüme lassen viel Freiraum für die Fantasie der jungen Zuschauerrinnen. Dementsprechend gespannt folgten sie bei der Premiere dem Spiel.

Über „Über Piratinnen. Geschwestern der See“, müssen sich vor allem Pädagoginnen und Pädagogen mit den heranwachsenden Mädchen und Buben unterhalten. In diesem Stück ist so viel Diskussionsstoff enthalten, dass das Nachdenken geordnet werden muss. Die Mixtur aus Akrobatik, Text, Sprechchören, Bodenturnen und Gesang erweist sich nicht gerade als geglückt. Doch das wird die Zuschauer:innen kaum hindern, sich aus den 65 Minuten herauszuholen, was für sie wichtig ist.

Dschungel Wien, Mai 2021
Plaisiranstalt: „Zeugs“, Text: Raoul Biltgen; Regie: Paola Aguilera; Dramaturgie: Guido Mentol; Ausstattung: Nora Pierer, Anna Allkämper;
Das ausgezeichnete Schauspiel-Ensemble: Sophie Berger, Steffi Jöris, Sven Kaschte, Patrick Weber. Premiere: 26..2021. Weitere Vorstellungen.

Maartje Pasman als Piratin. Im Hintergrund die restlichen vier Piratinnen. Töchter der Kunst & Radical Kitsch Ensemble: „Über Piratinnen. Geschwestern der See“, frei nach Texten von Effe U Knust. Regie. Nico Wind; Choreografie: Ariane Oechsner;
Mit: Nina Dafert, Mia Ferreira, Maja Karolina Franke, Gat Goodovitch, Maartje Pasman.
Premiere: 25.5. 2021.
Danach: 26., 29.5. 2021
Ale Fotos © Barbara Palffy.