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Robbins / Balanchine: „A Suite of Dances”

Roman Lazik, Nina Poláková: "Glass Pieces". © The Robbins Rights Trusts

Der Zufall will es, dass der für 23. Mai geplante Ballettabend mit Werken von Jerome Robbins, garniert mit George Balanchines „Duo Concertant“, just zum Ende des Lockdowns, fast wie vorgesehen, am 20.5.2021 stattfinden kann. Aus dem Zufall wird ein Glücksfall, sind doch die heiteren bis amüsanten Choreografien Robbins für das New York City Ballet (NYCB) leicht konsumierbare Ballette, geschmückt mit dem delikaten Zwiegespräch zwischen Musik und Tanz von George Balanchine, ein schöner Einstieg rechtzeitig vor dem nahenden Saisonende.

Die Neueinstudierung mit „Glass Pieces“, „A Suite of Dances“ und dem komischen Ballett „The Concert“ von Jerome Robbins und dem „Duo Concertant“ von George Balanchine ist wohl geraten, ohne das alteingesessene Ballettpublikum zu schockieren.
Dementsprechend lautstark gelingen auch Applaus und Jubelrufe.
Das energiegeladene Herrenensemble in Jerome Robbins "Glass Pieces". © The Robbins Rights Trusts Elektrisierend wirken die „Glass Pieces“ zur rhythmisierten Musik von Philipp Glass, gerade das, was jetzt notwendig ist: Ritualisierte Energie, ein Gefühl von Freiheit. Die feinabgestimmten, oft leuchtenden Farben der Kostüme von Ben Benson, die wiederkehrenden Rhythmen und Verschiebungen in Glass Musik, die vom Ensemble gespiegelt werden, ergeben eine dynamische Architektur. Alltagsbewegungen und Modern Dance ergänzen das klassische Ballettvokabular. Ein Spiel mit Licht und Schatten zur Musik von Philip Glass. © The Robbins Rights Trusts Millimeterpapier, als Bühnenhintergrund von Lichtdesigner Ronald Bates mit Robbins gemeinsam als einzige Dekoration entworfen, und das wechselnde Licht verweisen auf die geometrisch genaue Choreografie. Drei Solopaare kontrastieren die Gruppenbewegungen – gehen, laufen, kreiseln, fliegen mit schwingenden Armen. Wenn die Solopaare (Ioanna Avraam / Calogero Failla; Alice Firenze / Arne Vandervelde; Fiona McGee / Lourenço Ferreira) sich in den Vordergrund schieben, ändert das Corps seine Bewegungen. Im Mittelteil begeistert das ideale Paar Nina Poláková und Roman Lazik in einem innigen Solo zur glasstypischen Kantilene des Sopransaxophons. In vollendeter Harmonie: Nina Poláková mit Roman Lazik im Rhythmus von Philip Glass. © The Robbins Rights TrustsIm Hintergrund tanzen Ballerinen als Schatten in einer Linie quer über die Bühne. Im dritten Teil explodiert das Ensemble im strahlenden Licht. Zuerst die muskulösen Machos zum Trommelwirbel, nach einer Weile gesellen sich auch die zierlichen Damen dazu.
Ein rauschhaftes Ende dieses Glanzstücks des Wiener Staatsballetts.
Neu für das ballettaffine Publikum ist das von Jerome Robbins 1994 für Michail Baryshnikov kreierte Solo „Suite of Dances“ zu Ausschnitten aus Johann Sebastian Bachs Suiten für Violoncello solo. Ein Tänzer antwortet dem Cello. Der Erste Solotänzer Davide Dato in "A Suite of Dances". © The Robbins Rights Trusts Ditta Rohmann spielt Gigue und Sarabande, eingerahmt von zwei Préludes, Davide Dato interpretiert die Musik auf seine unnachahmliche Weise, geschmeidig und kraftvoll. Der athletische Baryshnikov war, als der 74 jährige  Choreograf das Solo für ihn kreiert hat 46 Jahre alt, Davide Dato wird im August 31, ein ausdrucksvoller Tänzer, der schon in jungen Jahren das Publikum durch seine Bühnenpräsenz erobert hat. Präsenz zeigt er auch in der „Suite“, tanzt mit einer Leichtigkeit, ja scheinbaren Lässigkeit, als wären nicht Bach und Robbins die Meister, sondern der selbstvergessen der Musik lauschende, improvisierende Tänzer.
Duo Concertant: Liudmila Konovalova und Masayu Kimoto. © The George Balanchine Trust Das Hauptstück des kurzweiligen Abends ist zweifellos George Balanchines „Duo Concertant“ zur gleichnamigen Komposition von Igor Strawinsky für Klavier und Violine, interpretiert von Cécile Restier am Klavier und Fedor Rudin mit der Violine. An der Staatsoper wurde dieses zweifache Duo 1976 zum ersten Mal gezeigt. Vier Jahre nach der Uraufführung mit Kay Mazzo und Peter Martins vom New York City Ballet haben Mazzo und Martins auch in Wien den Pas de deux getanzt. 45 Jahre danach antworten Liudmila Konovalova und Masayu Kimoto, erarbeitet mit Robbins- und Balanchine-Kenner Ben Huys, auf die Musik. Nicht sofort. Im ersten Satz des fünfsätzigen Werks lehnt das Paar am Piano und lauscht dem Dialog der Instrumente. "Duo Concertant": So soll es sein, der Ballerino kniet vor der Ballerina (Masayu Kimoto, Liudmila Konovalova). © The George Balanchine Trust Dann aber, wenn die Körper die Musik aufgenommen haben, starten sie los, in Bewegung gesetzt von der Musik. Doch Strawinsky behält eindeutig das Sagen, immer wieder hält das Paar an, hört auf die Musik, sie tanzen gemeinsam und allein, dem letzten Satz geht ein Blackout voran, Konovalova und Kimoto tanzen unter der Lichtkaskade der Spots. Der Danseur kniet vor der Ballerina, so soll es sein.
Heiter beginnt der Abend und mit Heiterkeit klingt er aus. „The Concert“ ist eine gelungene Parodie auf das Konzertpublikum und auch das Ballett. Nicht so einfach zu tanzen, wie es aussieht.
Der erste Lacher gehört Gospodin Igor Zapravdin, der als Starpianist mit dem Staubtuch wedelt und Frédérc Chopins Balladen und Wiegenlieder in die Tasten drischt. Clare Grundman hat das Chopin-Pasticcio aus Klavierwerken orchestriert, Statt dem Konzert zu lauschen, schleicht der Ehemann umher, um seine Gattin zu ermorden (Eno Peçi, Ketevan Papava). © The Robbins Rights Trusts Benjamin Pope, als Dirigent sowohl in den Opernhäusern wie auch im Konzertsaal unterwegs, debütiert am Pult des Staatsopernorchesters. Eno Peçi schleicht als erfolgloser Mörder mit dem Dolch in der Hand hinter seiner Angetrauten her, wandelt sich zum Husaren und schließlich zum Schmetterling, der die Ballerina (Elena Bottaro) einfangen möchte. Auch nicht wirklich erfolgreich. Ein Heer feindlicher Schmetterlinge flattert heran, der Pianist bricht zum Kampf auf, verlässt sein Instrument und verjagt die bunte Schar. Vor dem Vorhang sitzend nehmen glückliche Tänzerinnen und Tänzer den verdienten Applaus entgegen.

„A Suite of Dances”, Werke von Jerome Robbins und George Balanchine, Musik von Philip Glass, Igor Strawinsky, J. S. Bach und Frédéric Chopin. Neueinstudierung, Wiener Staatsballett in der Staatsoper. Premiere 20. Mai, weitere Vorstellungen: 25., 30. Mai; 4., 5., 7., 11. Juni 2021.
Fotos: Ashley Taylor (Wiener Staatsballett)