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Brut: Imagetanz – 8. bis 30. März 2019

Im Wassertank als Hai: Alex Franz Zehetbauer © Zehetbauer

Als Jubiläumsfestival geht heuer imagetanz im extralozierten brut über die Bühne. Seit 30 Jahren gibt es das Festival für neue Positionen aus Choreografie und Performance. Das Festivalzentrum ist diesmal – das brut-Stammhaus ist immer noch eine Baustelle – im Atelier Augarten. Uraufführungen finden auch im Studio brut und im Dschungel statt.

Sechs Uraufführungen von Werken lokaler Künstler*innen kündigt brut-Dramaturg und Kurator Flori Gugger an. Auf alle und auch auf die restlichen Vorstellungen freut er sich. Auf der Website brut-wien.at sind sie alle angeführt und eingehend beschrieben. Die Qual der Wahl bleibt niemandem erspart.

Liv Schellander, Jasmin Hoffer, Sara Lanner in "Volume". © Raffaela BieleschDoch weil nicht jede(r) alles besuchen und auch ich nicht zugleich auf zwei Hochzeiten zugleich tanzen kann, werde ich meine Tipps nach persönlichem Geschmack und Zeitbudget setzen.

imagetanz kommt ohne Motto aus, das ist gut so, weil die Künstler*innen nicht durch ausgedachte Vorgaben eingeengt werden. Dennoch würde ich im Nachhinein dem Festival eines verpassen: „Feuchte Träume“, davon gibt es einige. Schon die Eröffnung erscheint mir eher feucht: Henrike Iglesias, ein Kollektiv, das sich als „queer-feministisch“ definiert, setzt sich mit der (eigenen) weiblichen Sexualität auseinander. Schlagworte von „OH MY“: DIY-Porno, Selbstermächtigung. 8., 9.März, 20 Uhr.
Robyn/ Hugo Le Brigand feiert mit „sans culottes“ (hosenlos) die Revolution des Anus und zeigt ein Solo „für zwei Pobacken und einen Anus“ untermalt von bretonischer Volksmusik. 15. bis 17.März, 20 Uh"Volume", der Mund wird gestopft (Jasmin Hoffer, Sara Lanner). © Raffaela Bieleschr.
Auch Sophia Hörmann könnte dazu passen. Für sie ist die Feuchtigkeit jedoch gefroren. In ihrer Kür „Glowing current moods“ läßt sie sich vom Eiskunstlauf inspirieren und rutscht zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Will ich sehen, zumal der ORF, mangels heimischer Eisstars und -sternchen, keine Meisterschaften mehr überträgt. 28., 29.März, 20 Uhr, brut im Dschungel Wien.

Mein Motto ist von Alex Franz Zehetbauer, Performance- und Musikkünstler aus Brooklyn, derzeit in Wien lebend. Er will es ganz nass und schlüpft in die Haut eines Wals. Dazu muss er auf Tauchstation gehen und komponiert im Pool live Gesänge (der Wale). „wet dreaming at 52 Hz“ konfrontiert – und jetzt zitiere ich den Pressetext – „die anthropozentrischen und patriarchalen Vorstellungen von Intelligenz mit der Körperlichkeit und Eigenart der Wale.“ Echt, darauf freue ich mich.
15., 16., 17.März, 20.30 Uhr. Alex Franz Zehetbauer unter Wasser: "Wet dreaming" © Zehetbauer

Feucht ist es vielleicht auch, wenn der Speichel aus dem Mund tropft, Jasmin Hoffer / Sara Lanner / Liv Schellander haben den Mund offen und stopfen auch allerhand hinein. „Das Orale als multifunktioneller Raum.“ (Zitat Pressetext) „Volume“ kehrt die guten Sitten, „Mund zu, vor allem beim Kauen!“, ins Gegenteil und fragen, was am, im, vom Mund tabuisiert und was erlaubt ist. 19., 20., 21.März, 20 Uhr, studio brut.

Eine Frage stellen auch Cat Jimenez & Maiko Sakurai Karner, wenn sich bildende Kunst (Sakurai Karner) mit Tanz (Jimenez) verbindet. Das Interessante an den beiden Damen ist ihre Herkunft. Cat Jimenez in "What's the difference?" © Ina AydoganBeide sind sie mit dem asiatischen Kontinent verbunden: Maiko Sakurai Karner ist zwar in Wien geboren, doch ihre Mutter kommt aus Japan, der Vater ist Österreicher. Cat Jimenez ist in Cebu City auf den Philippinen geboren und mit ihrer Familie im Alter von vier Jahren nach Österreich gezogen. Während sie ihren persönlichen eurasischen Dualismus erforschen, wird das Publikum nach so manchem Aha-Erlebnis seine Vorstellungen von der typischen Asiatin revidieren wollen. 12., 13., 14.März, 20 Uhr. 

Noch ein Titel, der ins Motto passt, erregt meine Aufmerksamkeit: „Brume de Mer / Dunst des Meeres“ heißt das neue Stück der finnischen Choreografin Elina Pirinen. "Brume de mer" von  Elina Pirinen. ©  Ilkka SaastamoinenKurator Gugger nennt die Vorstellung von Pirinen und vier weiteren Tänzerinnen „eine berauschende Bühnensonate“. Pirinen hat nicht nur choreografiert, sondern auch Gedichte und Songs beigesteuert. Überdies, so steht es geschrieben, duftet der Raum, in dem die fünf Tänzerinnen ihren Reigen tanzen, „eigentümlich.“ Ich möchte riechen, sehen, träumen. 22., 23.März, 20 Uhr.

Genug getippt, in den drei Wochen gibt es noch viel mehr zu sehen und vielleicht auch zu riechen, und außerdem einige Extras und Einblicke in künstlerische Schaffensprozesse in der Reihe „Handle with care“. Extra witzig könnte es werden, wenn die Käfer und Ameisen, Raupen und Würmer ein demokratisches Zusammenleben probieren „Out and about mit Club Real: Weg mit der Natur – her mit der Politik!“ spielt sich im brut im Gewächshaus in der Nordmanngasse ab. Sophia Hörmann:  "GLOWING", vom Eiskunstlauf inspiriert. © Mani FrohDas Gewürm und Gekäfer, in Wien aufgewachsen, spricht deutsch (durch den Mund der Performer). Sonntag, 7. April 15 Uhr, bitte anmelden, der Eintritt ins Parlament ist frei.
Zum Thema gibt es auch eine Uraufführung von Club Real im Studio brut, 26., 27.April, 19 Uhr.

In englischer Sprache wird das Gespräch im Salon abgehalten, wenn der ehemalige imagetanz-Kurator Jacopo Lanteri mit Sophia Hörmann, Anne Juren, Claire Lefèvre und Zoë Schreckenberg (1 und 4 sind Teilnehmerinnen am aktuellen Festival) über 30 Jahre imagetanz plaudern wird. 23. März, 21.30 Uhr.

Imagetanz 2019, Jubiläumsfestival vom 8. bis 30. März 2019. Festivalzentrum brut im Atelier Augarten. Wenn nicht anders angegeben, finden alle genannten Vorstellungen im brut im Atelier Augarten, Scherzergasse 1A, 1020 Wien statt. Tickets und Informationen: brut-wien.at
Ausblick auf den April: Elisabeth Löffler nimmt ihre Sit-Down-Comedy „fix me if you can“ wieder auf, nachdem die Uraufführungsserie stets ausverkauft war. Die Künstlerin wird am 10., 11., 13. und 14. April 2019 im brut / Café 7Stern Wohnzimmer sitzen und die Gäste mit ihrer Leidensgeschichte unterhalten, vielleicht auch zum Nachdenken anregen.