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Neumeier Abend – Das Fest ist verklungen
Jubel und Hochrufe in Wien und St. Petersburg. Während Manuel Legris und Maria Yakovleva beim „Dance Open Festival“ in St. Petersburg gefeiert wurden, tobte das Publikum in Wien, um sich bei Rebecca Horner, Denys Cherevychko, Eno Peçi und Kirill Kourlaev und dem gesamten Ensemble für einen großartigen John Neumeier-Abend – „Verklungene Feste“, „Josephs Legende“ – lautstark zu bedanken
Es war, zum Leidwesen vieler Besucher_innen, der letzte Abend für lange Zeit, an dem Neumeiers wunderbare Kreationen, konzentriert und ausdrucksstark getanzt, zu genießen waren. Wie eindrucksvoll die vier Protagonist_innen (Cherevychko: Joseph; Kourlaev: Der Engel; Peçi: Potiphar, Horner: Potiphars Weib) ihre Rollen tanzen, ist bereits mehrfach bejubelt worden.
Peçi hatte an diesen letzten zwei Abenden zwei ganz unterschiedliche, doch ebenso begeisternde Rollen zu tanzen. Vor seiner Interpretation des reichen, auch Knaben zugeneigten Potiphar war er mit Ketevan Papa eines der fünf Paare in Neumeiers Choreografie „Verklungene Feste“, ebenso wie „Josephs Legende“ zur Musik von Richard Strauss geschaffen.
Peçi ist eine Klasse für sich, sensitiv, technisch perfekt, elegant oder komisch, heldenhaft oder lässig, erfasst er jede Rolle in ihrer gesamten Dimension. Sein Spektrum reicht vom kämpfenden „Spartacus“ (Renato Zanella) über den bornierten „Onegin“ (John Cranko) bis zum introvertierten, nach Liebe suchenden „Blaubart“ (Stephan Thoss).
Mit wunderbarem Port de bras und Sicherheit auf der Spitze ist mir auch Eszter Ledán im Pas de deux mit Robert Gabdullin („Verklungene Feste“) aufgefallen. Schon als „Judith“ in Thoss’ „Blaubarts Geheimnis“ hat sie bei der gesamten Aufführung des zweiaktigen Abends in der Volksoper gezeigt, was sie kann. In Harald Landers „Ètudes“ ist sie ebenso aufgefallen wie in Neumeiers „Vaslaw“. In Anthony McDonald / Ahsley Pages „Ein Reigen“ kreierte sie in der Volksoper die Rolle der Emilie Flöge. Ledán hat sich vom „weißen Kätzchen“ („Dornröschen“ von Peter Wright) zu einer verlässlichen, technisch versierten und aparten Tänzerin entwickelt, die reif ist, das Duo der Solotänzerinnen (Joanna Avraam, Alice Firenze) zum Trio zu erweitern.
Manuel Legris hat diese vorläufig letzte Vorstellung des Richard Strauss / John Neumeier-Abends (wie bei allen Vorstellungen seit 2015 mit Verve und aller Orgiastik dirigiert von Mikko Franck) nicht sehen können. Er ließ sich in St. Petersburg feiern, wo er gemeinsam mit der Ersten Solotänzerin Maria Yakovleva einen Ausschnitt aus Roland Petits „Fledermaus“ zum Besten gegeben hat.
Nach der Abschlussgala des „Dance Open Festivals“ ließ die Mehrheit der Gäste ihre Tickets in die Box von Manuel Legris fallen und verliehen ihm damit den Publikumspreis („People’s Choice Award“.
Bereits für den Eröffnungsabend des Festivals was das Wiener Staatsballett nach St. Petersburg gereist. Im Alexandrinsky-Theater zeigte die Compagnie drei Stücke aus dem Repertoire: Jiři Bubeníček: „Le Souffle de l’Esprit“, „Skew-Whiff“ von Paul Lightfoot und Sol León sowie den 2. Akt von Thoss’ „Blaubarts Geheimnis.“
Eine Aperçu zum Trost aller Neumeier-Freundinnen: Auch in der kommenden Saison wird St. John präsent sein. Seine Interpretation des Balletts von Michael Fokine „Le Pavillon d’Armide“ wird gemeinsam mit der von Neumeier als Hommage für Vaslav Nijinsky gedachten Choreografie von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ („Le Sacre“) ins Repertoire genommen. Premiere ist am 19. Februar 2017.
John Neumeier / Richard Strauss: „Verklungene Feste“ und „Josephs Legende“. Letzte Vorstellung für längere Zeit am 25. April 2016, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Manuel Legris in St. Petersburg geehrt. XV. Dance Open Festival, 15.– 25.April 2016, Alexandrynski Theater, St. Petersburg.