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Veza Fernández: „Wenn Auge Mund wird“, brut

"Wenn Auge Mund wird": Gewagte Akrobatik. © Kati Göttfried

Veza Fernández, in Wien lebende Choreografin und Performerin, hat mit elf Künstlerinnen eine suggestive Stunde über Schwesterlichkeit, Freundschaft und Liebe geschaffen. Kira Kirsch und ihr Team, aus ihrem Stammhaus dem brut temporär auswaggoniert, haben im Casino Baumgarten das richtige Ambiente gefunden. „Wenn Auge Mund wird“ ist poetisch und zärtlich, rasant und schrill.

Der etwas sperrige Titel täuscht, die kleinen Paradiese, die sie auf der Bühne entstehen lässt, sind leicht zugänglich und laden zum Träumen unter dem Deckengemälde des Ballsaals aus dem 19. Jahrhundert ein. 11 Künstlerinnen aufgereiht: dekorativ, doch nicht besnders bequem. © Caroline Haberl Als wären sie blind, mit verdeckten Augen stehen die Performerinnen schweigend und starr frontal in einer Reihe und halten einander an den Händen.
Dann beginnen sie sich allmählich zu regen, registrieren, dass sie eine Nachbarin haben, lösen die Hände, betasten die Kleidung der anderen, werden immer munterer, befreien den Blick, lösen die strenge Ordnung auf, beginnen zu summen und zu singen, bis eine die Batterie entdeckt und wild auf sie einschlägt. Der Bann ist gebrochen.

Bunte Berge aus pastellfarbenen Tüllbahnen, in die sich manche Paare wohlig kuscheln, andere damit ihre Partnerin schmücken, oder sie zu neuer Ordnung häufen, bilden Dekoration und mitspielende Objekte der Performance. Die Gruppe legt Wert darauf, als „Ensemble aus der queeren Wiener Tanz- und Performanceszene“ angekündigt zu werden. Es geht also bei dem schönen Getändel, dem gemeinsamen Summen und Hopsen, bei Turnen, Steppen, Gesang und Musik (E-Gitarren, Percussions, eine Flöte) um die Gemeinsamkeit der Schwestern. Lässige lustbarkeit, wie im Harem. © Kati GöttfriedNicht immer herrscht total Einigkeit, da wird eine akrobatische Übung verlangt die nicht möglich ist, einmal droht eine lange Stange wie ein Speer, die Füße stampfen, die Trommeln vibrieren. Dann segeln wieder die Tüllwolken über den imaginären Himmel, Ruhepausen in den bunten Wolken werden gegönnt, und wenn die gesamte Reihe auf den Rücken fällt und die Damen Kopf auf Bauch, mit gespreizten Beinen daliegen, ergibt das ein schönes Muster, scheint aber reichlich unbequem zu sein. Fernández versteht es, schöne Bilder zu evozieren, die mich mitunter an das entspannte und lustvolle Treiben in einem Harem erinnern, wie es schon im 18. und erst recht im 19. Jahrhundert von europäischen Malern so gern dargestellt worden ist.

Traumwandlerisch, enstannt in Veza Vernández' Stück: "Wenn Auge Mund wird." © Kati GöttfriedMit dem Titel will Fernández auch auf synästhetische Erfahrungen hinweisen. So wie manche Menschen Töne sehen oder Farben hören können, meint sie, dass man einander auch Hände berühren kann, mit den Augen schmecken, oder …? Ich weiß nicht! Mag sein, dass manche so eine Begabung haben, doch die Gefahr bei solchen Aussagen ist immer das Abrutschen in den Trend, dass alles eins ist, ob Auge oder Mund, Tanz oder Akrobatik, Profis oder Amateure. Die Welt, nicht nur die der Kunst, wird zu einer einzigen schalen Suppe.Eingehüllt in Tüllwolken – schön. © Kati Göttfried

Lieber bei den bunten Wolkenträumen bleiben, an denen Veza Fernández mit ihrem Team sicher noch einiges zu arbeiten hat. Ins Detail zu gehen, wäre jedoch nicht fair: Ich habe die Generalprobe gesehen. Doch meine Haremsträume waren angenehm, der Sultan darf getrost draußen bleiben.

Veza Fernández: „Wenn Auge Mund wird“: gesehen bei der Generalprobe am 11.4. 2018 im brut / Casino Baumgarten. Premiere war am 12.4. 2018 im Casino Baumgarten, Linzer Straße 297, 1140 Wien.
Weitere Vorstellungen. 13., 14., 18., 19., 20. April 2018
Dernièrenparty Eyes Wide Shut – Your Mouth: Im Anschluss an die letzte Vorstellung von Veza Fernández Stück Wenn Auge Mund wird, findet im Club U eine Dernièrenparty statt. Die DJ-Line ist kuratiert von SISTERS (Presidents of the U.S.Q. – UINITED SISTERS OF QUEERTOPIA), einem queer-feministischen Clubformat, das Raum und Sichtbarkeit für sich queer beschreibende Personen schaffen will. Freitag, 20. April, 22,30 Uhr, Club U.