Sarah Schmidt: „Seht, was ich getan habe“, Roman
In ihrem ersten Roman lässt sich die Australierin Sarah Schmidt von einem realen Ereignis aus, dem Mord an Abby und Andrew Borden, geschehen im August 1892 in Fall River, Massachusetts, leiten. Angeklagt, Vater und Stiefmutter erschlagen und enthauptet zu haben, wird die 32jährige Tochter Lizzie Borden. Nach zehnmonatiger Haft wird sie freigesprochen. Lizzie, die sich später Miss Lizbeth A. Borden nennt, stirbt 1927 in ihrem Geburtsort Fall River. Begeistern kann mich diese fiktionale Horrorgeschichte, erzählt von Lizzie und anderen Beteiligten, nicht.
Der tatsächliche Tathergang ist bis heute nicht geklärt, und so spukt das aufwühlende Ereignis bis heute durch die Medien. Neben einigen Romanen wird Lizzie Borden auch als berühmte Tochter der Stadt in Wikipedia genannt, und in Fall River lockt das Lizzie Borden Bed and Breakfast Museum. Nach ihrem Master in der Schreibschule hat Sarah Schmidt als Bibliothekarin gearbeitet und hat 2005 die Geschichte von Lizzie Borden entdeckt. Ein Fressen für eine zukünftige Autorin.
Mit „See What I’ve Done“ hat die junge Autorin eine große Anzahl von Kritiker*innen beeindruckt, mich leider nicht. Zu brav hat Schmidt alles befolgt, was sie gelernt hat, zu konstruiert und konturlos sind ihre Personen, zu formlos ist ihr Stil. Schmidt lässt vier Personen als Erzählerinnen auftreten: Lizzie, die Hauptperson, die den Mord entdeckt haben will; Emma, ihre neun Jahre ältere Schwester, das Dienstmädchen Bridget und einen Mann namens Benjamin, dessen Identität im Dunkeln bleibt, vermutlich soll es der illegitime Sohn Andrew Bordens, William, sein, der aber vom Vater niemals anerkannt worden ist. Alle vier brabbeln im selben Kauderwelsch vor sich hin, lassen keine Metapher, kein noch so plattes Attribut aus.
Liegt mein Missvergnügen vielleicht auch an der Übersetzung von pociao (Sylvia de Hollanda)? Ich habe wenig Lust, diese als gothic novel zusammengebastelte Horrorgeschichte auch im Original zu lesen. Es scheint, als wolle Schmidt vor allem schockieren. Der Roman trieft vor Blut, riecht nach Fäulnis, schmeckt nach Tod, die Knochen krachen, Kinder werden ertränkt, das Haus der Bordens: ein Schuppen des Grauens, in dem eklige, gemeine Menschen wohnen, die eigentlich schon tot sind, auch wenn sie sich noch schwankend fortbewegen. Nicht nur Lizzies Geist ist am Zusammenbrechen, auch das System Familie ist gestört, nichts mehr funktioniert.
Schmidt kann nicht aufhören, im Dreck zu wühlen, das stumpft ab, wird langweilig. Die Stimmen der Berichtenden erzählen nichts Neues, klingen alle gleich, als Leserin wate ich im Morast und werde durch nichts in Spannung versetzt. Das Ende kenne ich, es ist der Anfang.
Kurz davor habe ich auch ein anderes Debüt gelesen, „Idaho“ von Emily Ruskovich. Auch sie hat ein Schreibworkshop besucht, und auch ihr Roman beginnt mit einer Bluttat. Ruskovich nähert sich ihren fiktiven Personen mit Empathie und Vorsicht und zeigt, dass eine Schreibwerkstatt allein nicht genügt. Talent kann man nicht lernen und auch nicht lehren. Mit den Regeln aus den Kursen allein, auch wenn sie noch so gut befolgt werden, wie Sarah Schmidt es offenbar tut, bleibt auch die grauenerregende Horrorgeschichte nur eine akademische Fingerübung.
Sarah Schmidt: „Seht, was ich getan habe“, aus dem Englischen von Pociao, Pendo 2018. 384 S. € 20,60.