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Ulrike und Manfred Jacobs: Sisis Vermächtnis

Ulrike und Manfred Jacobs © Gabriela Brandenstein / Picus

Im Sommer 1875 verbrachte Kaiserin Elisabeth, die sich Sisi rufen ließ, zwei Monate in der Normandie. Verbürgt sind auch der Badeunfall, bei dem sie in einen Strudel geriet, aus dem sie ein Bürger von Beauport gerettet hat. Nicht verbürgt sind die Verwicklungen, die sich daraus ergeben haben und Österreich im 21. Jahrhundert fast in den Abgrund finanzieller Nöte getrieben haben. Schuld daran ist ein aufrechter Beamter, dem Recht und Ordnung wichtiger sind als sein Leben und die eben erst aufgeflammte Liebe. Mehr als ein Unterhaltungsroman. Eher eine treffende Satire auf den Beamtenstaat Österreich samt seiner Freundes-Vereine.

Der Hauptheld, tatsächlich ein aufrechter, edler, wagemutiger aber ein wenig verbohrter Held, ist der Jurist Josef Kaiser, der im elterlichen Palais hinter der Karlskirche wohnt und gern aus dem Fenster auf die vorübereilenden Touristinnen schaut. Darunter, in der Bel Etage, wohnt seine Mutter, die Witwe Theodora Anna Rosa Kaiser, deren Lebenssinn das Wohlergehen ihres Sohnes ist. Danach aber kommt gleich die Treue zum nicht mehr existenten Kaiserhaus, verkörpert vor allem durch den Touristinnen-Magneten Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Mehr als 120 Jahre sind seit ihrem Ableben vergangen. Was die Kaisertreuen nicht tangiert.

Im Schatten der Karlskirche wohnen die Kaisers. © Thomas_Ledl_Creative_Commons_Attribution-Share_Alike4.0International_LicenseJoseph ist eben dreißig geworden und zum Leiter der österreichischen Kulturstiftung ernannt worden, die über ein riesiges Kapital verfügt, dessen Zinsen nach Gutdünken des Ministers unter Einmischung des Kanzlers und einiger Beamter verteilt wird. Als Dr. Kaiser durch eine Ungeschicklichkeit des unbedarften neuen Bürgermeisters jener normannischen Küstengemeinde, in der einst Sisi weilte, entdeckt, dass eine beträchtliche Summe – beträchtlich ist mehr als untertrieben, da sind viele Nullen daran –, an Beauport überwiesen wird, doch dieses Legat der verblichenen Kaiserin längst erloschen ist, beschließt er, stante pede in sein altes Mercedes Cabrio zu springen und sich ans Meer zu begeben. Dort fällt er nicht nur auf die Komödie herein, die Jean-Baptiste Poquelin, genannt Molière, jede Ehre gemacht hätte, sondern auch mit einer schönen, jungen Frau ins Bett. Das Schlamassel verdichtet sich zur Katastrophe. Offiziell wie privat.

Nicht nur Joseph, der das Feuer geschürt hat, auch Theodora, die es von ihrem Sohn abhalten will, hat ihren Anteil an den Verwicklungen der Verwicklungen. Sie und ihre Freundinnen, darunter des Kanzlers Gattin, alle miteinander glühende Verehrerin der einstigen Kaiserin, halten die Wiener Buschtrommel in Gang. Da bleibt kein Geheimnis bewahrt.

Wien bleibt jedoch Wien und alle, der Minister, der Kanzler, die Beamten und auch Joseph Kaiser, schrammen wieder mal am Abgrund vorbei. Am Ende wird sogar geheiratet und Theodora nimmt ihre Schwiegertochter in die Arme, ist ihr zugetan, weil sie doch mit ihren braunen Augen und der Haarfülle der Sisi so ähnlich sieht. Da könnte man direkt auf schlechte Gedanken kommen. Porträt der Kaiserin von Franz Xaver Winterhalter. Das Bild stand auf des Kaisers Schreibtisch und war der Öffentichkeit bis zum Sturz der Monarchie  nicht bekannt. ©  Public domain via Wikimedia Commons

Natürlich ahne ich bald das Ende und gebe auch zu, dass ein aufregender Showdown hier nicht unbedingt passend wäre. Dennoch ein wenig weniger flau, damit nicht die gesamte charmante Geschichte einfach so mir nichts dir nichts verpufft, hätte ich mir schon gewünscht. Dass man den Titel eines Gedichtes nicht übersetzen darf, sollte das Lektorat wissen. Konkret: Eine der ohnehin unnötigen Kapitelüberschriften lautet "Das Glück ist ein Vogerl". Die Gedichtzeile aber lautet „Das Glück is a Vogerl“. Es ist der Refrain (und die erste Zeile) eines im Gedichtes von Alexander von Biczo, vertont von Karl Kratzl. Die beiden Herren werden sich nicht groß empören. Sie ruhen beide seit geraumer Zeit unter der Erde des Wiener Zentralfriedhofs. Doch ich meine, wenn schon eingedeutscht, dann ist das Glück ein Vogel und die Kapitelüberschrift ist kein Zitat. Die sprachliche Mischkulanz aber gefällt mir nicht.

 Beauport kann überal sein an der Alabasterküste der Normandie. Quelle: www.lily.fi blogit latinalaisessa korttelissa page2Das dem Roman vorangestellte Motto, ein Dictum von Alexandre Dumas, dafür umso mehr: „Es ist erlaubt die Geschichte zu vergewaltigen, so man ihr ein Kind macht.“ So ist denn auch die Kreuzherrengasse hinter der Karlskirche in Wien, wo Kaisers residieren, tatsächlich vorhanden, während Beauport schlicht Schöner Hafen heißt und überall an der normannischen Küste liegen könnte. Jedenfalls wird dort nach alter Tradition von früh bis spät am Calvados, dem goldenen Apfelschnaps, nicht nur genippt. Ein Echtheitsbeweis? Dass Joseph Kaiser, dieser Mann von Ehre, erfunden ist, braucht nicht betont zu werden, so einen aufrechten Beamten, der es niemals übers Herz bringen wird, Fünfe gerade sein zu lassen, gibt es in Wiener Realität nicht.Buchcover / Picus Verlag

Ulrike Jacobs, eine gebürtige Linzerin, die Kunstgeschichte und Psychologie studiert hat, lebt mit ihrem Mann, Manfred, in Saarbrücken. Wie der erfundene Joseph Kaiser ist er Jurist und, anders als Joseph, der eher der Musik zuneigt, Autor von Fernseh- und Kinderfilmen. Gemeinsam haben sie einen köstlichen, locker geschriebenen Unterhaltungsroman verfasst, der sich durch treffende Personenzeichnung und immer neue Wendungen in Spannung hält und sich wohltuend von der üblichen oberflächlich dahin plätschernden Unterhaltungsliteratur abhebt.

Ulrike und Manfred Jacobs: Sisis Vermächtnis, Picus, 2017. 228 S. € 16,00. Auch als Ebook erhältlich.