Mördersuche mit Humor: Marco Malvaldi
Urlaubslektüre par excellence, vor allem wenn gerade eine Toscana-Reise auf dem Fahrplan steht. Marco Malvaldi hat es faustdick hinter den Ohren, versteht es, lockere Unterhaltung mit Neugier zu paaren und lässt diesmal sogar historische Persönlichkeiten auftreten. Der Mord im neuen Roman, „Ein Königliches Theater“, spielt sich um 1900 im Teatro Verdi in Pisa ab, als der König der Premiere von Puccinis Oper „Tosca“ beizuwohnen wünschte. Die Anarchisten waren dagegen.
Nicht die Finnen und sicher nicht die Schweizer haben’s erfunden, sondern die Italiener. Einer der ersten brillanten Autoren, die spannende Krimis zum Schmunzeln oder Lachen geschrieben haben, war der Mailänder Futurist Carlo Manzoni (1909–1975), der in den 1960ern mit seinen „Superthrillern“, köstliche Parodien des Genres, ein neues Publikum für seinen Privatdetektiv Chico Pipa und dessen Hund Gregorio Scarta erobert hat. Auch der sizilianische Autor Andrea Camilleri garniert seine Leichen gerne mit Humor. Demnächst wird er 92.
Der toskanische Autor Marco Malvaldi, geboren 1974, könnte sein Enkel sein und somit der aktuelle Witzbold unter den italienischen Krimiautoren. In mehreren Romanen (eigentlich sind es Romänchen) lässt er den Barrista Massimo von seinen Sorgen erzählen und von den alten Männern die in seiner „BarLume“ an der toskanischen Küste herumsitzen und nur zu gerne den ersten Preis bei der Mördersuche erobern wollen.
Im jüngsten Roman kehrt er jedoch in seine Heimatstadt Pisa zurück und katapultiert seine Leserin ins Jahr 1900. Viktor Emmanuel III. war gerade König geworden, weil nämlich sein Vater, Umberto I., vom Anarchisten Gaetano Bresci erschossen worden ist. Und ein schönes Ereignis steht auch im alten Kalender: Giacomo Puccinis Oper „Tosca“ tourt nach der Uraufführung in Rom durch die italienischen Opernhäuser. Für die Premiere in Pisa hat sich auch der frisch gekrönte König angemeldet. Höchste Alarmbereitschaft ist angesagt und die bekannten Anarchisten (ein Häuflein alter Männer, die man mit dem Weinglas vor sich in der Bar, natürlich nicht der BarLuna, trifft) bekommen eine Sonderbewachung. Bevor sich aber der Vorhang hebt, erzählt uns der Autor allerhand Schnurren über das Opernleben an sich, über Puccini und die bekannte Legende von der fliegenden Tosca.
Man weiß ja, dass im Drama „La Tosca“ von Victorien Sardou, der Geliebte der Hauptfigur, Cavaradossi, sterben muss. Bei Malvaldi stirbt auch der Tenor, ein bekennender Anarchist. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen kann Ruggero Balestrieri den ersehnten Applaus nicht mehr genießen. Die Frage ist nun: Wer hat die Platzpatronen in den Gewehren des Erschießungskommandos ausgetauscht? Und welcher der Statisten ist für den tödlichen Schuss verantwortlich? Die Verdächtigen haben alle ein hieb- und stichfestes Alibi. Die Polizei ist ratlos. Keine Sorge, Malvaldi weiß die Lösung.
Der Überwitz dieser mit bestens charakterisiertem Personal und einer Fülle von Opern-Anekdoten angereicherten Geschichte ist die Hauptfigur, ein etwas komischer aber überaus angesehener Journalist bei „La Stampa“. Wie Balestrieri, mischt auch er sich gern unter die anarchistisch gesinnten Steinmetze, um mit ihnen ein Glas zu heben und seine Gedichte zu rezitieren.
Dieser Ernesto Ragazzoni ist zwar eine Witzfigur, doch eine historische. Der Dichter, Anarchist, Antimilitarist und Liebhaber der Flasche hat tatsächlich gelebt. Von 1870 bis 1920. Dass er unfrisiert und ungewaschen in rosa Pantoffeln durch die Straßen spazierte, konnte seinem hohen Ansehen nicht schaden. Belesen, wie er war, hat er seinen Landsleuten als Übersetzer Goethe, Victor Hugo oder Edgar Allan Poe nähergebracht. Als Korrespondent von La Stampa hielt er sich in Paris und London auf, ob er je in Pisa half, einen Mord aufzuklären, ist nicht überliefert.
Der schöne italienische Titel des amüsanten Kriminalromans stammt aus einem der Gedichte Ragazzonis: „Buchi nella sabbia / Löcher im Sand“. Auf Deutsch hat der Buchtitel jegliche Poesie verloren: „Ein königliches Theater“ klingt ziemlich langweilig. Der kleine Roman ist es keineswegs.
Marco Malvaldi „Ein königliches Theater“ Originaltitel: „Buchi nella sabbia“, übersetzt von Luis Ruby, Piper, 2017. 256 S. € 11,99.