Skip to main content

Peter May: „Moorbruch“, ein Schottlandkrimi

Autor Peter May im Gespräch. © Kurier / privat

Ein selten auftretendes Naturphänomen ist der Ausgangspunkt dieses 3. Teil von Peter Mays Trilogie rund um den Ex-Polizisten Finlay (Fin) MacLeod. Der hat seinen Job in Edinburgh und kehrt auf seine Heimatinsel Lewis (größte Insel der Äußeren Hebriden, am nordwestlichen Ende Europas) zurück. Dort begegnet er seiner Kindheit und seiner ersten Liebe und kann es auch nicht lassen, Detektiv zu sein. Dunkel, dramatisch und überaus romantisch.

Die alte Festung vor Catlebay. © http://www.ndr.de/fernsehen/epg/import/Inseln-jenseits-der-Zeit-Schottlands-Aeussere-Hebriden,sendung66410.htmlDer Moorbruch ist die Folge starken Regens, der den Torfgrund eines Lochs (der Loch, Süßwassersee) aufweicht, sodass er ins Rutschen gerät und als Moräne ins Tal rauscht. Der drunter liegende Gneis saugt das Wasser auf, der See ist nun tatsächlich ein trockenes Loch. Doch als Fin und sein langjähriger Freund Whistler nach dem Gewitter auf dem Berg stehen, sehen sie auch ein kleines Flugzeug, das aus dem Loch aufgetaucht ist. Nahezu unversehrt, doch mit einer schlimm zugerichteten Leiche im Cockpit.

Es ist allerdings nicht der gälische Popstar Roddy, der vor 17 Jahren mit seiner Maschine spurlos verschwunden ist, auch wenn in den restlichen Kleiderfetzen seine Papiere stecken. Wer immer mit zerschmettertem Kopf und ziemlich verwest gefunden worden ist, will Fin herausfinden. Eines weiß er ganz sicher, dieser Mann ist ermordet worden. Whistler schweigt und geht. Fin vermutet, dass er mehr weiß, als er sagt. Doch Whistler ist ein schweigsamer Freund, schon immer gewesen.

 Portnahaven Islay. © http://www.undiscoveredscotland.co.uk/islay/portnahaven/Die Suche nach dem Unfallhergang, wenn es denn ein Unfall war, und einem möglichen Mörder, wird jedoch fast zur Nebenhandlung, weil Fin, teilweise selbst erzählend, tief in die Vergangenheit eintaucht und vom Aufstieg der einstigen Schulband, die er bis zum Beginn seines Studiums als Roadie begleitet hat, von Teenagerlieben und alten gälischen Traditionen erzählt. Erst gegen Ende, wenn der Autor der Handlung Schwung gibt, erinnere ich mich wieder, dass es eigentlich um die Aufklärung eines Mordes geht. Doch da gibt es bereits neue Tote, einige zerbrochene Freundschaften und verratene Lieben.

Wind und Wetter, Berge und Lochs. Beherrscht werden jedoch alle drei Bände dieser rabenschwarzen Schottland-Trilogie von Wind und Wetter. Die Inseln sind dem über den Atlantik heranbrausenden Tiefdruckgebieten wehrlos ausgeliefert. Ein Ondit behauptet, dass auf den Hebriden der Sommer an dem Tag stattfindet, an dem die Sonne zwei Stunden scheint. May nimmt sich viel Zeit, die Unbilden des wechselnden Wetters, die Fin nicht nur einmal glauben lassen, seine letzte habe gerade geschlagen, eindrucksvoll mit Respekt und Bewunderung zu beschreiben. Dass es den Autor immer wieder auf die sturmumtosten Inseln zieht, kann ich verstehen.

Kirche von Castlebay, Hauptort der Insel Barra. © http://www.bellsofkendal.co.uk/Barra2007/

Als guter Beobachter lässt May auch die Charaktere auf der Insel, in jungen Jahren und 20 Jahre danach, lebendig und überaus plastisch werden, zeigt ihre Schwächen auf und macht auch Fin zu keinem „blonden Krieger“, nach der Bedeutung seines Namens, zeigt ihn so schwach und fehlerhaft, wie eben Menschen sind. May hat drei literarische, aufregende Krimis geschrieben und zugleich ein Porträt der Landschaft und deren Bewohner_innen gezeichnet. Auch wenn der Wechsel vom beobachtenden Erzähler zum Ich-Erzähler manchmal etwas abrupt passiert und die ausufernden Erinnerungen an die Freundschaften, Rivalitäten, Eifersüchteleien und das Streben nach Macht und Ruhm von der aktuellen Geschichte ablenken, so ist die Vergangenheit für das Verstehen der Ereignisse hilfreich und ebenso aufregend wie die Gegenwart. Die Inseln scheinen sowieso aus der Zeit gefallen zu sein, die Bewohner_innen halten an uralten Tradition, an ihrem keltisch-christlichen Glauben fest und leben nach ihren eigenen Gesetzen. Freundschaft geht den Männern, die einander aus der Schulzeit kennen, über alles. Umso schlimmer trifft jeden Einzelnen echter oder vermeintlicher Verrat.

Der Autor im Porträt. © Peter Vincent LoisinSchade, dass May seine Geschichte und Geschichten von Fin und den Hebriden nicht als Pentalogie geplant hat. Dann dürfte ich mich auf noch zwei Bände freuen. Aber „Der Chessman“ („Die Schachfigur“, Originaltitel) endet mit einem goldenen Saum um die dunklen Wolken am Himmel über Lewis. Möglich, dass Fin die alte Liebe neu entfachen kann.Sehr warscheinlich, dass er sich um den verwaisten Teenager Anna Bheag, die zerbrechliche Anna, kümmern wird. Sie hat Vertrauen zu ihm. Er hat sein Gleichgewicht gefunden und beginnt sein Leben in Ordnung zu bringen. Und so viele Morde gibt es auf den nebelverhangenen Inseln ja auch nicht.

Übrigens, man muss die drei Bände nicht in der richtigen Reihenfolge lesen, jeder steht für sich allein. Peter May: "Moorbruch" Buchcover. © Zsolnay VerlagFängt man mit dem aktuell übersetzten an und arbeitet sich lesend nach hinten, so erlebt man live, was der Autor immer wieder erzählt, weniger um die Handlung mehr um die Menschen und ihr Tun zu verstehen. Verstehen kann ich durch den Zusammenhang die viele ngälischen Wörter. Schön wäre es aber, wenn es eine klene Liste mit den Ausspracheregeln gäbe. Besonders die gälischen (keltischen) Namen sind der deutschsprechenden Leserin ja sehr fremd. Was man aber nicht aussprechen kann, merkt man sich auch nicht.

Moorbruch“, übersetzt von Silvia Morawetz, Zsolnay 2017. 336 S., € 20.60
Aktueller Band 3.
Beim Leben deines Bruders“, übersetzt von Silvia Morawetz, Zsolnay, 2014, 336 S., € 18,40; Taschenbuch btb, € 10.
Band 2
Blackhouse“, übersetzt von Anke Kreutzer /Eberhard Kreutzer, Kindle 2011, 464 S. Rowohlt E-Book 2015. / 0.6680 MB. € 9,99.
Band 1.