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Alex Capus: "Das Leben ist gut"

Der Autor 2014 in Marseille, einer der Schauplätze in seinem Roman "Der Bombenbauer, der Fälscher und die Spionin" © br.de

Ein Mann in den besten Jahren, zu Hause in einem Schweizer Dorf, denkt über das Leben nach, seines und das allgemeine, also kurz über die Welt und sogar über Gott. Alles in allem kommt er, gelassen und weise zu dem Schluss: „Das Leben ist gut.“ So nennt Alex Capus auch die zusammengefassten Gedanken, Betrachtungen und Träume des Autors Max, der die Altglasentsorgung zu seinem Hobby gemacht hat. Ein Genuss für alle Anbeterinnen des feschen Schweizer Normannen.

Max ist Mitte 50 und „eigentlich Schriftsteller von Beruf“, doch weil er „nicht immer gern Bücher“ schreibt, betreibt er auch ein Lokal, die Bar Sevilla. Über dem Tresen hängt der Toro, ein echter Stierkopf mit Plakette, wann, wo, wie, er das Zeitliche gesegnet hat. Der Toro gehört Miguel und wird in den Reflexionen und Aktivitäten von Mac, also in Capus’ Erzählung eine wesentliche Rolle spielen. Max ist mit seinen drei heranwachsenden Söhnen allein geblieben, die geliebte Ehefrau Tina hat einen Lehrauftrag an der Sorbonne erhalten. Paris, da kann sie nicht widerstehen, nach 25 Jahren muss sie das Kaff einmal verlassen, Max muss nicht und will auch nicht. Er ist sesshaft und treu. In der Schreibstube © Andre Albrecht

Alex Capus, Jahrgang 1961, ist der beliebteste Autor in seiner Schweizer Heimat und auch im restlichen deutschen Sprachraum erfolgreich. Kritiker_innen haben ihr Vorbehalte: zu freundlich, zu wenig verschlüsselt, gar nicht manieriert, kein Text für den Bachmann-Preis, ist zwischen den Zeilen der  im Grunde jedoch wohlwollender Rezensionen von Capus’ mehr als 15 Büchern zu lesen. Doch der elegante, schnörkellose Stil des Autors, sein immer mitschwingender leiser Humor, der liebevolle Umgang mit seinen Protagonistinnen, auch sein Faible für das Alltägliche, für seine Nachbarn im kleinen schweizerischen Olten macht Capus [kapy] suspekt. Der Autor ist zu nahe an den Leserinnen dran, das lässt man ihm nicht gern durchgehen. Doch hat er Inhalt und Form immer fest im Griff, segelt ganz nah an die Kitschklippen heran und schrammt sie doch nicht, weiß genau, dass die Welt nicht ganz heil ist, auch wenn er, wie Max, der Ansicht ist „das Leben ist gut“.

Bei genauem, nachdenklichem Lesen, schaut Capus auch in diesem Buch unter die Oberfläche, erzählt von Armut und Migration, von Korruption und Betrug von Zerstörung und Verfall. Dass er angenehm zu lesen ist und seine Menschen alle ihre liebenswürdigen Seien habe, sollte ihm nicht zum Nachteil gereichen. Tut es auch nicht, Capus kann vom Schreiben leben.

Olten, Lebensraum des Autors  © pixswiss.chAuch wenn Capus in vielen Geschichten von s(s)einem „Kaff“ spricht, gar so klein ist Olten, an der Aare im Kanton Solothurn, auch wieder nicht. Mehr als 17.000 Einwohner, die kann man gar nicht alle kennen. Capus lebt dort , wo auch der Autor und Liedermacher Franz Hohler zur Schule gegangen ist. Dass Max in Olten wohnt, ist klar und dass er ein Alter Ego von Alex ist, darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Immerhin ist auch Capus ein sesshafter, treuer Ehemann, hat einen Schippel Kinder und betreibt neben der Schriftstellerei ein Lokal. Vermutlich fährt er, wie Max, mit dem Rad durch Wald und Wiesen, um seine Gedanken zu ordnen, redet gern mit den Tieren und macht sich mit freundlicher Gelassenheit über die wechselnden Moden lustig Nicht nur in der Schweiz liegen gerade Pfefferminzpastillen in aller Munde. Tatsächlich, auch in den Wiener Autos liegen die Dosen bereit. „Willst du auch?“, „Ja, bitte.“ Erinnerung an den Politiker osef. Munzinger, Vater des Afrikaforschers Werner Munzinger, (1832–1875) von dem der Roman „Munzinger Pascha“ erzählt.  © pixswiss.ch

In vielen seiner dokumentarischen Romane – genauestens recherchiert, Lücken werden mit Fantasie gefüllt, was Capus immer offenlegt – lässt er Abenteurer und Träumer wieder lebendig werden. Max ist kein Abenteurer, kein Weltreisender oder Schatzsucher, seine Träume aber, lässt er sich nicht nehmen. Dann verirrt er sich in den Everglades und schreibt hunderte Ansichtskarten an seine geliebte Tina.

Capus kann nicht passieren, worüber Max mitunter zu klagen hat, dass er die „Schlichtheit des Belanglosen nicht mehr von der Einfachheit des Schönen unterscheiden“ könne. Er geht seinen Weg, die Leserinnen folgen ihm entzückt und finden auch die dauernd verlangte Gesellschaftskritik, ohne dass sie ihnen auf die Nase gehämmert wird.

Alex Capus: „Das Leben ist gut“, Hanser, 2016. 240 S. € 20,60.