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Marco Malvaldi: „Der geheime Auftrag“, Roman

Marco Malvaldi, Autor mit Humor. © autorinprestito.it

Der Maler und Erfinder Leonardo da Vinci und sein Förderer, der Fürst von Mailand, Ludovico Maria Sforza, genannt il Moro, stehen im Mittelpunkt des lockeren Renaissance-Romans von Marco Malvaldi „Der geheime Auftrag“. Zu den fein recherchierten historischen Details mischt der italienische Autor, der vor allem durch seine ironischen Krimis aus der Bar Lume in einem fiktiven Ort an der toskanischen Küste berühmt geworden ist, eine echte Raubersg’schicht mit Leichen und dem Künstler Leonardo als zeitweisen Verdächtigten.

Das alte Castell, auch heute noch mitten in Mailand. © wikipediaMalvaldi hat zahlreiche Details aus Mailand gegen Ende des 15. Jahrhunderts (il Moro regierte in Mailand von 1494 bis 1500) ausgegraben, etwa dass schon damals der Verkehr Anlass zu Klagen gab. Während Männer noch auf dem Rücken der Maultiere ritten, durften reiche Frauen in einer Art von Pferden gezogenen Kutschen fahren, was die Fußgänger von den Straßen drängte und überdies von oben bis unten mit Schlamm bespritze. Und natürlich wird viel über Leonardos Arbeitsweise erzählt, etwa wie die Farben hergestellt werden oder wie schwierig es ist, die geforderte Bronzestatue in Erinnerung an Moros Vater, Francesco Sforza, herzustellen. Das Sforza-Cavallo ist ein Entwurf geblieben. Leonardos Reiterstatue ist nicht gegossen worden, hingegen hat Andrea del Verrocchio die seine fertiggestellt.1496 wurde sie auf dem Campo Santi Giovanni e Paolo in Venedig errichtet. Der Dargestellte, Condottiere Bartolomeo Colleoni, hat sie selbst bestellt. © wikipedia Neben all diesen interessanten Details lässt Malvaldi auch seine Fantasie blühen und versorgt die Leserinnen mit einer Kriminalepisode, die mit einer Leiche im Hof des Castellos beginn und mit korrupten Klerikern endet. Dazwischen geht es auch um die Jagd nach dem Notizbuch Leonardos, in dem er, so meinen die Auftraggeber der auf den Maler angesetzten Killer, aufgeschrieben hat, wie man aus Dreck Gold herstellen kann. So nebenbei ist zu erfahren, dass Leonardo gerne von rechts nach links geschrieben hat, was für ungeübte Leser einer Geheimschrift gleichkommt. Fürst Ludivico, genannt il Moro. Ausschnitt aus der Pala Sforzesca, Marienbild eines unbekannten Meisters. © Pinacoteca Brera / wikipedia Leonardo entkommt samt Notizbuch den mit Messern bewaffneten Räubern und kann auch il Moro überzeugen, dass er mit der Leiche unter seinem Fenster nichts zu tun hat, auch wenn dieser tote Chiti einst ein Schüler von ihm war. Der freche Kerl hat sich weniger mit der Malerei als mit dem Erzeugen falscher Münzen beschäftigt, deshalb ist er von seinem Meister verabschiedet worden.
 Malvaldi ist ein Schalk, betrachtet seine Figuren mit liebevoller Ironie und legt seine Geschichten nicht auf die Goldwaage. So ist der Roman eine Mischung aus Belegbarem und Erfundenem, was aber den Autor nicht hindert, flüssig und fröhlich zu berichten und sämtliche Personen aus dem Who is Who im mailändischen Quattrocento aufzuführen. Neben Moro, seiner Ehefrau und den Geliebten, sind Höflinge, die Bewohner von Leonardos Werkstatt, Kaufleute, Geistliche und auch der Franzosenkaiser Karl VIII. samt seiner Entourage aufgeführt. Ein Bild voller Geheimnisse: La Belle Ferronière. Vermutlich von Leonarda da Vinci gemalt, vermutich Lucrezia Crivelli, eine der Geliebten Ludovico Sforzas, oder auch seine Angetraute, Beatrice d'Este.  Die Franzosen spielen deshalb mit, weil Moro sie zu Hilfe gerufen hat, damit sie sich in Neapel breit machen und er ungestört regieren kann. Der Plan ging schief, der kriegswütige Karl VIII. nimmt auch Mailand ein, Moro gefangen und lässt ihn 1508 im Gefängnis von Loches im Loiretal sterben. Malvaldi hilft den Leserinnen durch das personelle Labyrinth, indem er alle auftauchenden Personen namentlich in einer langen Liste aufführt. Mehrfaches Nachschlagen ist unabdingbar.
Skizze von Leonardo da Vinci nach Vitruv: "Der vitruvianische Mensch". Pinacoteca Brera, Milano. © gemeinfreiDer Titel der deutschen Übersetzung hilft weniger, und die immer wiederkehrende Frage, warum nicht einfach der Originaltitel,“ La misura dell’uomo“, der ganz leicht mit „Das Maß des Menschen“ zu übersetzen ist, belassen worden ist. Der italienische Titel bezieht sich natürlich auf den berühmten vitruvianischen Menschen, eine Zeichnung des antiken Architekten Vitruv, in der er einen Menschen mit idealen Proportionen darstellt: Edel und schön, ob gut, weiß man nicht. Buch-Cover, © C.BetelsmannLeonoardo hat von Vitruvs Zeichnung eine Skizze angefertigt. Der nackte Mann, mit ausgestreckten Armen in zwei Positionen stehend, ist nicht nur Zeuge, wie sehr sich Leonardo für die Proportionen des menschlichen Körpers interessiert hat, um lebensechte Figuren darzustellen, sondern auch eines der berühmtesten und am öftesten vervielfältigten Bildmotive. Auch diese bekannte Studie findet Malvaldi in Leonardos Werkstatt. Dass nicht immer Florenz und die Medici den Mittelpunkt eines unterhaltenden Romans bilden müssen, sondern es auch aus Mailand allerhand zu berichten gibt, zeigt Malvaldi mit seinem köstlichen und sogar informativen Roman deutlich.

Marco Malvaldi: „Der geheime Auftrag“ (La misura dell’uomo“), aus dem Italienischen von Verena von Koskull, C. Bertelsmann 2021. 312 S. € 20.60