Susanne Falk: „Johanna spielt das Leben“, Roman
Johanna, die auf der Bühne des Burgtheaters in Wien das Leben spielt, ist die Großmutter von Anatol, der das Leben studiert. Klartext: „Anatol studiert das Leben“ ist ein kurzweiliger Roman über einen etwas desorientierten jungen Mann von Susanne Falk. Mit „Johanna spielt das Leben“ hat sie nun keine Fortsetzung, sondern vielmehr eine Vorsetzung der Geschichte der Familie Neuendorff geschrieben, in der sie von Anatols Großmutter erzählt, die den Leserinnen von „Anatol studiert das Leben“ bereits als höchst lebendige Grande Dame bekannt ist.
Die Geschichte der Schauspielerin, die den Spagat zwischen Bühne und Kinderzimmer samt Küche und Ehebett schaffen muss, und zu einer gefeierten Burgmimin wird, beginnt nach dem 2. Weltkrieg in Wien. Mit 19 Jahren ist Johanna Jedlicka aus Favoriten, dem Arbeiterbezirk Wiens, bereits ein Star. Als Luise Miller und als Julia hat sie Publikum und Kritik bezaubert. Der vorgesehene steile Aufstieg wird durch den Dr. Georg Neuendorff aus dem Justizministerium gebremst. Kurz nachdem sie seinen Avancen nachgegeben hat, ist sie auch schon schwanger.
Ein Frauenschicksal im 20. Jahrhundert.
Es wird geheiratet, aus Johanna Jedlicka wird Johanna Neuendorff, die später die Neuendorff wird. Aber der Weg ist hart, das erste Baby wird tot geboren, Johanna steht nach kurzer Trauerphase wieder auf der Bühne, was Ehemann Georg gar nicht gefällt. Zehn Jahre später wird Tochter Lore geboren, Johanna hält es kaum acht Monate zu Hause aus, die Bühne ist ihr wichtiger als die kleine Tochter. Zum Glück lebt die Mutter samt ihrer Schwester, der Tante Mitzi, noch in der winzigen Favoritner Wohnung. Tante Mitzi liebt die kleine Lore, allerdings ist sie nicht ganz bei Trost, lebt in ihrer Traumwelt, in die sie eines Tages samt Lore verschwindet. Da treue Leserinnen aber wissen, dass irgendwann Johannas Enkel Anatol geboren wird, haben sie keine Angst um Lore, die auch samt Tante Mitzi nach aufregender Suche in ganz Wien wieder gefunden wird. Wie verzwickt die Familienverhältnisse Jedlicka-Neuendorff wirklich sind, soll hier nicht ausgebreitet werden, um dieser Wiener Geschichte aus dem 20. Jahrhundert nicht Spannung und Pointe zu nehmen.
Was Johannas Lebenslauf vom Leben einer Telefonisten oder Verkäuferin in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg unterscheidet, ist der Glanz einer Bühnenkarriere und das Geheimnis der Schauspielkunst. Alles, was ihr privates Leben ausmacht, in jener Zeit, als eine Frau noch dem Ehemann „untertan“ war und selbst keine Entscheidungen treffen durfte (was Johanna keineswegs hinderte, ihren Georg durch Eigenmächtigkeiten zur Weißglut zu bringen), gleicht dem Leben vieler anderen ihrer Zeitgenossinnen.
Mit dem Leben der Autorin allerdings hat Johanna kaum etwas gemein, ist doch Susanne Falk erst 1976 geboren, in Kappeln an der Schlei in Schleswig-Holstein. Jetzt lebt sie mit ihrer Familie in Wien und hat den Wiener Ton ebenso genau studiert wie die Usancen und Intrigen im Wiener Burgtheater. Johanna hat einen besonderen Mentor und Verehrer, den man in Wien aus zahlreichen Filmen auch heute noch kennt: Josef Meinrad, österreichischer Kammerschauspieler und Träger des Ifflandringes, den er dem Schweizer Filmschauspieler Bruno Ganz weitergegeben hat, der ihn testamentarisch dem deutschen Schauspieler Johannes Harzer vermacht hat. Dass dieses enge Verhältnis rein platonisch geblieben ist, ist Meinrads stadtbekannter Bigotterie zuzuschreiben. Als Jüngling strebte er das Priesteramt an, doch hat er mitten in der Ausbildung die Schule verlassen und ist schließlich auf der Bühne gelandet. Neben Meinrad sind noch einige andere historische Persönlichkeiten sichtbar, wenn auch nicht so deutlich wie der Burgmime. Die fiktive Johanna fügt sich nahtlos in das reale Ensemble ein.
Wenn auch dieser zweite Band, der chronologisch gesehen der erste ist, seinen Charme hat, so zeigt er typische Eigenschaften einer Fortsetzung, Frische, Schwung und Humor, die Anatols Abenteuer auszeichnen, sind ziemlich verblasst und auch Johanna, auch wenn sie die Hauptperson des neuen Romans ist und sich gegen alle Widrigkeiten durchzusetzen vermag, zeigt weniger Präsenz als die selbstbewusste und nahezu strahlende Großmutter Anatols. Doch natürlich ist es, wenn man mit Anatol das Leben studiert hat, hilfreich, auch zu wissen, wie seine Großmutter, die mit 90 noch mit Begeisterung ihr Auto lenkt, als karrieresüchtige junge Frau und etwas nachlässige Mutter war. Für den Enkelsohn hatte sie dann sichtich mehr Zeit und Liebe zur Verfügung.
Susanne Falk im Picus Verlag:
„Johanna spielt das Leben“, 2021, 256 S. € 22,00.
Auch als E-Book erhältlich.
„Anatol studiert das Leben“, 2018, 360 S. € 18,00.
Auch als E-Book erhältlich.