Zum Hauptinhalt springen

Kenneth Bonert: „Der Anfang einer Zukunft“

Autor Kennth Bonert. © Richard Dubois

Mit seinem Erstling „Der Löwensucher“ hat der Südafrikaner Kenneth Bonert eine eindrucksvolle Familiengeschichte erzählt. Nun setzt er mit „Der Anfang einer Zukunft“ („The Mandela Plot“, Originaltitel) die Geschichte mit den Söhnen von Isaac Helger, dem aus Litauen nach Südafrika / Johannesburg eingewanderten Juden, fort. Marcus und Martin Helger sind tief in den südafrikanischen Bürgerkrieg und den Kampf für und wider die Apartheid verwickelt. Bonert kann sich nicht so recht entscheiden, womit er seine Leserinnen in seinem 600 Seiten langen Roman fesseln will. Mit einem Ausschnitt aus der bewegten Geshichte Südafrikas, mit einer Liebesgeschichte oder einem Thriller voll Hass und Gewalt?

Martin Helger, aus dessen Perspektive die Ereignisse, teilweise von ihm selbst, erzählt werden, ist ein Außenseiter. Als Sohn eines arbeitenden Juden findet er keine Freunde, ist nicht sportlich und einsam. Statue Nelson Mandelas in Johannesburg, wo er 2013 verstorben ist. ©  anagoria / wikipediaVater und Mutter arbeiten, der große Bruder, an der Jüdischen Eliteschule ein Rugbystar, ist im Krieg verschwunden. Vielleicht vermisst, vermutlich tot. Für Politik interessiert sich Martin anfangs wenig, doch dann taucht eine „wirkliche Schönheit“ aus Amerika, um afrikanische Kinder in den Townships zu unterrichten. Martin verfällt der jungen Annie Goldberg und merkt nicht, dass er von ihr benutzt wird. Sie ist weniger am Unterricht kleiner Kinder interessiert, als daran, den Afrikanern den Bau von Bomben beizubringen. Sie kommt, um für das Ende der Apartheid zu kämpfen und den Krieg anzufachen. Martin ist bald tief involviert in die Untergrundtätigkeit, um Annie zu erobern, wird er zum aktiven Kämpfer gegen die Rassentrennung und für den zu Beginn des Romans noch inhaftierten Nelson Mandela (1918–2013). Als Jude hat er auch in der neuen Heimat genügend Verachtung und Unterdrückung erfahren. Der Schauplatz des Romans: Johannesburg, mit dem Hillbrow Tower. ©  thesouthafrican.com

Was wie eine Erzählung vom Erwachsenwerden beginnt, wandelt sich bald in einen Thriller, in dem sich die Ereignisse überkugeln und Martin immer tiefer in Gefahr gerät und bald mit einem Fuß im Gefängnis steht. Wie er nach und nach erfährt, hat die Familie Helger einen Feind, der nicht ruhen will, bis die Helgers ausgerottet sind. Die Ursache liegt in einem Streit der Väter, doch Oberholzer, der Sohn des Kontrahenten von Isaac Helger, vergisst nicht und lässt auch die Helger-Söhne nicht vergessen. Mit perfiden Methoden versucht er, sowohl den an der Schule als Helden gefeierten Marcus als auch den heranwachsenden Martin, in seinen persönlichen und auch den allgemeinen Krieg hineinzuziehen. Kaltblütig mordet er, doch immer wieder gelingt es ihm, seine Untaten anderen in die Schuhe zu schieben. Als Fisch in allen Gewässern schwimmt er immer wieder oben, und auch als Mandela das Gefängnis verlassen darf und zum ersten schwarzen Präsidenten von Südafrika gewählt wird, ist der Bösewicht als Polizist in gehobener Stellung wieder dabei. Er hat die Seiten gewechselt, aber nicht seine Meinung. 

Die zunehmende Gewalt, das Morden und Foltern ermüdet mich allmählich. Das noch immer unsichere Viertel Soweto in Johannesburg. © Flickr sea turtle/wikipediaBonert hat sich eindeutig zu viel vorgenommen, die Geschichte der Familie Helger, die wie im Roman „Der Löwensucher“ sicher in Teilen auf Tatsachen beruht, der politische Kampf in Südafrika, die politischen Debatten von Martin mit der angebeteten Annie und die immer erschreckender werdenden Abenteuer von Martin Helger, lassen den Roman zerflattern und ermüden das Gehirn. „Was kommt demnächst?“, muss ich mich dauernd fragen und weiß genau, dass es noch schlimmer wird. Ich hege die Vermutung, dass der Autor nicht so genau wusste, wie er seinen Roman beenden sollte und daher noch ein spannendes und auch verwirrendes Detail anfügen musste, bis er Martin ins Koma fallen lässt. Nelson Mandela, fotografiert 2000. © commons.wikimedia.orgDoch das ist nicht das Ende des Romans.
Kenneth Bonert, geboren 1972, ist mit seinen Eltern als 17 Jähriger nach Kanada emigriert. Die von Ihm geschilderte chaotische Zeit in Südafrika hat er zum Teil selbst miterlebt. Das Ende der Apartheid jedoch nicht mehr, Nelson Mandela ist 1990 aus der Haft entlassen worden, die ersten demokratischen Wahlen haben 1994 stattgefunden. Buchcover. © Diogenes VerlagWie im Roman beschrieben, haben die chaotischen Zeiten damit noch lange kein Ende gefunden. Fremdenfeindliche Angriffe auf Migranten aus den Nachbarländern ereignen sich immer wieder, die Rate der HIV-Infektion ist ungewöhnlich hoch und die Kriminalität ist ebenfalls ein virulentes Problem, Morde und Vergewaltigungen scheinen an der Tagesordnung zu sein. 2017/2018 wurden 62 Morde an weißen Farmern und ihren Familien gemeldet. Polizei und Regierung schließen die Augen vor der hohen Kriminalität und sprechen von „Wahrnehmungsproblemen“. 2018 ist Präsident Jacob Zuma auf Verlangen der eigenen Partei zurückgetreten, Vizepräsident Cyril Ramaphosa, ein ehemaliger Gewerkschafter, ist am 17.12.2018 als neuer Präsident der Republik Südafrika angelobt worden. In der Liste der Zeitschrift Forbes von 2015 ist er mit einem Vermögen von 450 Millionen US-Dollar als zwölftreichster Südafrikaner angeführt.

Kenneth Bonert: „Der Anfang einer Zukunft“, Originaltitel: „The Mandela Plot“, aus dem Englischen von Stefanie Schäfer, Diogenes 2019. 656 S. € 22,99.