Sally Hawkins und Ethan Hawke in „Maudie“
Der Film „Maudie“ der irischen Regisseurin Aisling Walsh basiert auf der Lebensgeschichte der kanadischen Volkskünstlerin Maud Lewis, 1903 geborene Dowley. Durch eine rheumatoide Arthritis im Kindesalte litt sie an einer sich stetig verschlimmernden Behinderung der Extremitäten. Dennoch malte sie bis zur ihrem Tod 1970 einfache kleine Bilder in fröhlichen Farben. Der britischen Schauspielerin Sally Hawkins gelingt es als Maudie, den Film nicht im Schmalz der Rührseligkeit ersticken zu lassen, sondern eine Frau darzustellen, die sich nicht unterkriegen lässt und das Leben trotz aller Hindernisse liebt. Gefühlskino der feinsten Art, optimistisch und tröstlich.
Hawkins zeichnet Maud Lewis als eine Frau, die zwar einen fragilen Körper, doch eine mutige, optimistische Seele hat. Die innere Stärke, die Fröhlichkeit und die positive Weltsicht dieser Frau lassen die äußere Zerbrechlichkeit schnell vergessen. Maud Lewis sah ihr Leben nicht so armselig und entbehrungsreich, wie es real war. Aus der Malerei bezog sie Kraft, Mut und Frohsinn. Auch die Datrorstellerin Hawkins malt in ihrer Freizeit, sie hat Lewis` Bilder studiert und versucht im Film, zu malen wie diese.
Der Film erzählt ihre Lebensgeschichte, beginnend mit dem Tag, an dem die früh verwaiste, erwachsene Maud ihr Leben selbst in die Hand nimmt und die strenge, griesgrämige Tante, die sie nach dem Tod der Eltern aufgenommen hat, verlässt. Als Haushaltshilfe zieht sie in die kanadische Einöde zu dem wortkargen, tyrannischen Hausierer Everett Lewis, dem sie sich willig unterordnet. Anfangs jedenfalls. Doch bald kehren sich die Machtverhältnisse um. Maudie erregt mit ihren Bildern, mit denen sie die Wände und Fenster der armseligen Hütte bemalt und den kleinen Karten voll bunter Blumenwiesen, Vögeln und Katzen lokale Aufmerksamkeit. Im Film ist es die Amerikanerin Sari (Kari Matchett), die ihre Ferien in Nova Scotia verbringt, die sie animiert, weiter zu malen und die Karten zu verkaufen. In den ersten Jahren um zwei Dollar. Erst in den letzten Jahren ihres Lebens bekam Lewis sieben bis zehn Dollar für ein Bild. 1964 erschien der erste Artikel über Maud Lewis und wenig später ein Bericht im kanadischen Fernsehen. Preise von 15.000 bis 22.000 Dollar, die heute ihre Bilder bei Auktionen erreichen, hat sie selbst nicht mehr erlebt.
Das Drehbuch von Sherry White konzentriert sich auf die Entwicklung der Beziehung zwischen dem bärbeißigen Everett und der, trotz der Schmerzen und Entbehrungen – die Hütte mit zwei Zimmern hat weder Strom noch eine Heizung und Everett bringt als reisender Fischverkäufer nicht wirklich genug Geld heim –, sonnigen Maudie. Ein Kammerspiel, das sich vor allem in der engen Kate abspielt, nur manchmal in der Straße, wenn Maudie, durch den hohen Schnee stolpernd, ihren Herrn und Meiser begleitet. Als sie mit den Kärtchen ihr eigenes Geld verdient, kapiert Everett allmählich, dass auch Maud kein Möbelstück, sondern ein Menschist. Und es scheint, als ob in dem rücksichtslosen Rüpel so etwas wie Liebe aufkeimt. Er kauft Papier und Ölfarben, die Maud direkt und ungemischt auf den Untergrund aufträgt, nimmt Rücksicht auf ihre Gebrechlichkeit und erfüllt ihren Wunsch nach einer Hochzeit.
Ethan Hawke als Everett Lewis ist ein wenig zu hübsch und glatt, um diesen sturen Bock, der seine Gefühle nicht ausdrücken kann und Frauen nur zum Kochen und Putzen benötigt, glaubwürdig darzustellen. Doch das stört nicht weiter, gilt doch die Aufmerksamkeit von Regie und Drehbuch und damit auch der Zuschauerinnen ganz und gar Sally Hawkins in der Titelrolle. Auch wenn Maudie, verkrüppelt und schüchtern, die Nase tief auf ihre kleinen Bilder, meist nur 20 bis 30 Zentimeter groß, gesenkt hält, gelingt es Hawkins immer wieder, die Willenskraft und den Humor ihrer Figur aufblitzen zu lassen. Regisseurin Walsh lässt Maudie früh sterben, damit die Taschentücher nicht vergeblich bereitgehalten werden.
Die historische Maud Lewis ist mit 67 im Jahr 1970 gestorben. Wie der Film deutlich macht, hat sie gelebt, um zu malen, gemalt, um zu überleben. Ihr Mann Everett wurde neun Jahre später von einem Einbrecher ermordet. Gedreht wurde der Film 2015 in der Umgebung von St. Johns, der Hauptstadt der Provinz Neufundland und Labrador im Osten Kanadas.
Ein durchaus sehenswerter Film, auch wenn er nur die Oberfläche des Lebens der talentierten Künstlerin zeigt, die sich ihre Würde weder durch die Krankheit noch durch den Mann nehmen ließ. Walsh wollte anscheinend jegliche Sentimentalität vermeiden und zeigt deshalb auch Mauds schwere körperliche Behinderung nicht in aller Krassheit, sowie sie auch das Verbrechen,das die Familie an Maud begangen hat, nur kurz streift. Es ist einer der ehrlich berührenden Momente, wenn Maudie am Sterbebett der Tante erfährt, dass sie belogen worden ist. Ziel des Filmes sind nicht die Tränendrüsen, sondern eine Einladung an die Zuschauerinnen, in Maudies Welt zu treten, eine Welt ohne Schatten, wie es der Titel eines Kurzfilms aus dem Jahr 1976 verspricht.
Aisling Walsh: „Maudie“ mit Sally Hawkins, Ethan Hawke und anderen. Drehbuch: Sherry White; Kamera: Guy Godfree. Filmladen Filmverleih. Ab 26. Oktober 2017 im Kino.