KHM: Felix Gonzalez-Torres im Theseustempel
Seit 2012 nutzt das Kunsthistorische Museum den Theseustempel im Wiener Volksgarten für eine sommerliche Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Heuer lädt eine Installation des früh verstorbenen kubanischen Künstlers Felix Gonzalez-Torres zur Betrachtung ein. Zwei Lichterketten hängen vom Plafond, ringeln sich auf dem Boden zu einem leuchtenden Kreis. „Untitled“ (Lovers – Paris) nennt der Künstler das Werk, das an zwei liebende Menschen denken lässt.
Mehr als 20 Lichterketten hat Gonzalez-Torres in seiner kurzen Schaffensperiode von zehn Jahren geschaffen. Sie alle sind mehr oder weniger seinem 1992 verstorbenen Lebensgefährten Ross Laycock gewidmet. Mit erst 39 Jahren ist Gonzalez-Torres selbst an AIDS gestorben. In seinem minimalistischen Werk setzt er sich immer wieder mit der Krankheit, mit Liebe und Verlust auseinander. So ist auch „Untitled“ (Lovers – Paris) zu verstehen, irgendwann wird die eine oder andere Glühbirne ausgebrannt sein, doch ganz erlöschen wird die Liebe nie, denn die funktionslose Birne kann und soll durch eine neue ersetzt werden.
Bei der im Theseustempel gezeigten Installation wird in der kurzen Zeit der Ausstellung kein Licht erlöschen, Kurator Jasper Sharp hat Sparlampen verwendet. Das und auch wie das Objekt gezeigt wird (als Girlande oder liegend, an der Wand kletternd oder eben wie aktuell von der Decke baumelnd, hat der Künstler den jeweiligen Kurator*innen überlassen. Eine Freiheit, die kaum einem Kunstwerk gegönnt ist. Jasper Sharp hat die leuchtenden Zwillingsketten in der Mitte aufgehängt, genau dort, wo früher die aggressive Skulptur „Theseus besiegt den Kentauren“ von Antonio Canova (1757–1822) gestanden ist. 1890 ist der weiße Marmor dann ins Kunsthistorische Museum übersiedelt. „Statt heroischer Monumentalität finden wir nun Stille und Feingefühl“, stellt Kurator Sharp fest und nennt noch einen Bezugspunkt: In der Sonderausstellung „The Shape of Time“, in der Kunstwerke aus verschiedenen Jahrhunderten einander gegenübergestellt werden, ist auch ein Werk von Gonzales-Torres vertreten. Seine Skulptur aus zwei Uhren, „Untitled“ (Perfekt Lovers) von 1990, kommuniziert mit dem Relief „Junges Paar“ (1505 / 10) von Tullio Lombardo.
Die beiden Liebenden in Paris stammen aus dem Glenstone Museum in Potomac, Maryland, doch wird bei Werken von Gonzalez-Torres meist nicht das Original verliehen, sondern eine „Exhibition Copy“. Gonzales-Torres wollte den Betrachter*innen etwas mitteilen, auf die sogenannte Aura eines Kunstwerkes legte er keinen Wert.
Nur auf den ersten Blick jedoch scheint sein Œuvre anspruchslos, wie er oft Alltagsgegenstände verwendet, so vielschichtig wirkt es bei längerem Nachdenken.
Gonzalez-Torres denkt in seinem Werk über die Dinge des Lebens nach. Das seine war von den Erfahrungen mit der HIV Infektion (AIDS), den eigenen und den von Freunden und Bekannten, geprägt.
Ein wenig Melancholie und ein kurzer Gedanke an das Ende mag auch manche durch den Volksgarten Flanierende anwandeln, wenn sie von den Lichterketten in den Theseustempel gelockt werden. Wissen müssen sie nichts, doch es gibt eine Information an der Wand und einen Plakat-Folder. Doch der Künstler wäre sicher zufrieden, wenn die Gäste im Tempel einfach etwas verweilen und die eigenen Gedanken fließen lassen.
Vor allem jene an die Liebe, die wie das bewegliche Kunstwerk in vielen Formen existiert, und keineswegs ewig währt.
Felix Gonzales-Torres: „Untitled“ (Lovers – Paris), Ausstellung des KHM – Theseustlempel im Theseustempel, kuratiert von Jasper Sharp. Bis 1. Oktober 2018, täglich 11–18 Uhr.
„The Shape of Time“, Bedeutende Werke, entstanden zwischen 1800 und heute. Kuratiert von Jasper Sharp. bis 8. Juli 2018, Kunsthistorisches Museum.