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Leopold Museum: Radek Knapp trifft Alfred Kubin

Radek Knapp vor den Bildern Alfred Kubins.

41 Grafiken von Alfred Kubin sind zurzeit im Leopold Museum zu sehen. An sich schon eine Sensation – die letzten großen Kubin-Ausstellungen gedachten seiner 50 Jahre nach seinem Tod 1959. Doch wirklich außergewöhnlich wird diese Revue durch den Autor Radek Knapp. Er hat die Tuschzeichnungen ausgewählt und erzählt eine Geschichte dazu. Bild für Bild, Kapitel für Kapitel, schlicht, melancholisch, märchenhaft.

Der Spieß ist umgedreht. Zuerst waren die Bilder da und viele Jahre danach, mitunter sind es mehr als hundert, entstand die Geschichte dazu. Und doch denke ich, so gehört es, so ist es richtig. Die Bilder erzählen Geschichten, die Geschichten malen Bilder und beide, die recht düsteren Bilder und der prägnante Text, eröffnen neue Perspektiven, verändern die Gedanken und Gefühle. Genial. Kurator dieses doppelten Kunsterlebnisses ist Stefan Kutzenberger.

Alfred Kubin: Der Mensch, um 1902.Leopold Museum, Wien  © Eberhard Spangenberg/Bildrecht, Wien, 2017Die Hauptperson in Knapps Erzählung ist ein alter Mann der den 2. Vornamen Kubins trägt: Isidor. Er ist auf der Suche nach sich selbst, nach dem was war und was noch kommt. Er begegnet den sonderbarsten Figuren, doch nur der Teufel weiß die Antwort. Der Schluss ist ebenso klar, wie im Grunde tröstlich. Wir stehen vor dem Aquarell „Die drei Särge“, „Und jetzt zähl bis drei!“, sagt der Teufel. „Und dann?“. „Dann ist es vorbei.“ Gleich gehe ich wieder zum Anfang zurück, betrachte den „verrufenen Ort“, an den der alte Mann namens Isidor gerät, bewege mich zur „Stadt gen Osten“ und unterhalte mich mit der „Dame mit Spitzenhöschen“, doch sie antwortet nicht. Stattdessen spricht ihr Hund und erklärt Isidor, dass die Dame „nur Fragen stellen kann“, doch keine Antworten hat.

Dame mit Spitzenhöschen, Alfred Kubin 1903 / 1906. Leopold Museum, Wien  © Eberhard Spangenberg/Bildrecht, Wien, 2017Auf der „Stiege“, die ins Nirgendwo führt, hat Isidor „zum ersten Mal die Liebe gefunden“. Auf der langen Suche begegnet er auch der „Stunde der Geburt“ und ich sehe in Kubins Zeichnung nicht nur das furchterregende Meerestier mit den bösen Augen, sondern auch den Säugling, der aus dem Wasser ins Leben springt.

Kubins Werk ist von Düsternis geprägt, von Angst und Schrecken. Er selbst sagt, dass er von Goya, Munch oder Ensor beeinflusst worden ist. Wohl aber doch am heftigsten von seiner eigenen Fantasie, von seinen Alb-Träumen und Visionen. Der nahezu 100 Jahre jüngere Radek Knapp lenkt in seinen Romanen den Blick auf die komischen Seiten des Lebens. „Die Todesstunde“ (Blatt 14 der Hans von Webermappe), 1903. Leopold Privatsammlung © Eberhard Spangenberg/Bildrecht, Wien, 2017Er liebt das Genre des Schelmenromans und sprüht mitunter vor beißendem Witz, was dem Feuilleton nicht immer gefällt. Leicht Lesbares, Verständliches mögen die Herren und Damen der Großkritik nicht so besonders. Die Leserinnen hingegen sehr.

Buchcover, DeutickeDie Kombination von Kubin und Knapp, die sich im Absurden treffen, lässt angenehme Gefühle in mir aufsteigen: Das wohlige Schaudern der Melancholie, die voyeuristische Lust an der im Bild gebannten Gefahr, das Wissen um die Unabwendbarkeit des Sterbens und dann die tröstliche Wärme der bezaubernden Geschichte vom suchenden, fragenden Isidor. Beflügelnd ist der Esprit, den der Text den Bildern hinzufügt und dann das zum Lächeln verführende lakonische Ende. Ein Kinderreim. „Und jetzt zähl bis drei.“ „Und dann?“ „Dann ist es vorbei.“

Die Ausstellung:
Radek Knapp trifft Alfred Kubin, bis 4. September 2017 im Leopold Museum, Museumsquartier, Wien. Täglich: 10–18 Uhr | Donnerstag: bis 21 Uhr.
Das Buch zur Ausstellung:
Radek Knapp: "Die Stunde der Geburt", Deuticke, 2017.