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Osterfestival Tirol 2018: „über.leben“

"Rain" von Anne Teresa De Keersmaeker. © Anne Van Aerschot

Mehrfach lesbar ist auch in diesem Jahr das Motto des Osterfestivals Tirol, das traditionell das Ende der Fastenzeit markiert. Zwei Wochen lang wird in Hall i. T. und in Innsbruck getanzt, gegeigt und gesungen, diskutiert, rezitiert und meditiert. Unterschiedliche Medien helfen dem Publikum, zu hören und zu sehen, zu genießen und auch über den Sinn des Lebens nachzudenken. Im Zentrum des Osterfestivals stehen wie jedes Jahr Alte und Neue Musik, Tanz und Performance.

 La Divina Armonia  führt Pergolesis "Stabat Mater" auf. © zVg.Ganz leise, wie es sich für eine so feine, nahezu intime Veranstaltungsreihe gebührt, wie das von der Familie Crepaz gegründete und bereits in zweiter Generation getragene Osterfestival Tirol eine ist, wird in Hall und Innsbruck ein Jubiläum gefeiert: 2018 findet das Osterfestival zum 30. Mal statt. Nicht nur viele Künstler und Künstlerinnen begleiten des Festival seit den ersten Wochen im Jahr 1989,  auch im Auditorium, ob atmosphärischen Salzlager von Hall, in der Kirche, im großen Saal der Dogana in Innsbruck oder im Kinosaal, treffen einander alljährlich Besucher*innen der ersten Stunden.

Wenn die Fastenzeit beendet ist, die Osterfeuer leuchten, dann wird der Trauermantel abgelegt: Lebensfroher, elektrisierender Tanz ist angesagt. Die elf Tänzer*innen der Compagnie Rosas von Anne Teresa De Keersmaeker lassen sich durch Steve Reichs „Music für 18 Musicians“ hypnotisieren, tanzen sich in Ekstase, reißen das Publikum mit. 1.4.2018, Innsbruck. "Rain ", Compagnie Rosas / Anne Teresa De Keersmaeker. ©  Anne Van Aerschot

Mit zwei unterschiedlichen Stücken stellt sich das Berliner Ensemble Dance on vor. „7 Dialogues“ sind sieben, teils amüsante, Porträts, die mit renommierten Künstlern wie Tim Etchells oder Ivo Dimchev, erarbeitet worden sind. In „Man Made“ probieren fünf Tänzer*innen, sich im Einklang miteinander zu bewegen und ein gesellschaftspolitisches Statement über das Zusammenleben und „über.leben“ zu geben. „7 Dialogues“ wird vom Komponisten Matteo Fargion, der auch als feinsinniger Performer bekannt ist, geleitet; „Man Made“ wird nach einem Konzept und in der Choreografie von Jan Martens getanzt. 24.3.2018, Innsbruck.

Helena Waldman: "Gute Passe , Schlechte Pässe". © Bernadette Fink„Gute Pässe Schlechte Pässe“ nennt Helena Waldmann ihr neuestes Tanzstück, dessen Titel sich wohl selbst erklärt. 22 Freiwillige bilden in der Mitte der Bühne eine Mauer, die eine zeitgenössische Tanzcompagnie und Artisten des Nouveau Cirque voneinander trennt. Die Antworten auf die Fragen nach Sinn und Bedeutung von Nationalismus, der Sehnsucht nach einer geschlossenen Gesellschaft und die Notwendigkeit von Grenzen, müssen sich die Zuschauer*innen selbst geben. Helena Waldmann wählt für ihre Stücke schwierige, oft politische Themen und spricht ihr Publikum über alle Sinne an. 26.3.2018, Innsbruck.

Leicht zu verstehen und immer wieder auch zum Lachen ist „Au temps où les Arabes dansaient … / Damals, als die Araber tanzten", ein rasantes Stück  der Compagnie de Soi unter Radhouane El Meddeb. Die vier Tänzer erinnern sich an die Zeiten, da weder Singen noch Tanzen eingeschränkt, in manchen Ländern sogar verboten waren. Und wer bestimmt, dass Männer auf der Bühne nicht mit den Hüften wackeln dürfen? Der französisch-tunesische Choreograf sicher nicht, er lässt seine Tänzer in den alten, sinnenfreudigen Orient reisen. 27.3.2018, Salzlager, Hall i.T. Als die Araber tanzten / Le temps où les Arabes dancaient… © Agathe Poupeney

Silvia Calderoni begibt sich in der Produktion des Künstlerkollektivs Motus auf Identitätssuche und wirbt für den Ausstieg aus sämtlichen Kategorien, das Aufheben sämtlicher Schubladen und Schachteln, in die Menschen, sei es wegen ihrer Nationalität, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihres Körperbaus, gezwängt werden. So sprengt Calderoni auch die Grenzen des Tanzes, lässt Fiktion und Realität verschwimmen, streut Textfetzen ein und bewegt sich in einem exzentrischen Set zwischen DJ und VJ, Musik und Videokunst. 31.3.2018, Salzlager, Hall i. T.

Enemble Dance On: "Man Made". © Dorothea TuchAuch auf der musikalischen Ebene gibt es keine Grenzen. Von der Hommage an den Tiroler Komponisten Johannes Maria Staud, über Wolfgang Rihm, George Ligeti oder Dimitri Schostakowitsch führt die Reise zu Franz Schubert, J. S. Bach („Johannes Passion“ unter Philippe Herreweghe mit dem Collegium Vocale Gent) und Giovanni Pergolesi („Stabat Mater“ am 25.3.2018, Salzlager, Hall i. T.).

Noch zwei Abschlusstipps: Die Regisseurin Sabine Mitterecker zeigt „Schatten. (Eurydike sagt)“ von Elfriede Jelinek mit Sarah Sanders, Christina Scherrer und Alexandra Sommerfeld, am 18.3.2018 im zum Konzert- und Theaterraum adaptierten ehemaligen Salzlager in Hall. "Nostalghia", einer der Schauplätze ist die Abbazia di San Galgano, in der Toskane, eine Ruine aus dem 13. Jahrhundert. © Filmstill. Im Leo-Kino von Innsbruck wird am 19.3. 2018 der eindrucksvolle Film „Nostalghia“ von Andrei Tarkowski gezeigt. Der in Italien gedrehte Film ist schon 35 Jahre alt und hat nichts von seinem melancholischen Charme verloren.

Osterfestival Tirol: „über.leben“, 16.3. bis 1.4.2018, Innsbruck und Hall i.T.
Erstmals gibt es einen Festivalpass mit Zugang zu sämtlichen Veranstaltungen.
Das ausführliche Programm samt der Möglichkeit der Kartenreservierung ist auf www.osterfestival.at zu finden.